13:06 Uhr, 06.02.2008

Die Bengali-Hochzeit

So, es ist mal wieder Zeit für einen neuen Blog-Eintrag! Das spannendste, was in letzter Zeit passiert ist, ist schon etwas über eine Woche her: Ich war mit Shubho auf der Hochzeit eines entfernten Cousins von ihm (soweit ich das noch zusammen bekomme: Es ist wohl der Sohn des Cousins seiner Mutter).

Es war auf jeden Fall ein Erlebnis - und etwas ganz anderes als das, was man in Deutschland unter einer Hochzeit versteht. Die Trennung zwischen Standesamt und Kirche gibt es hier gar nicht, und auch finden Hochzeiten nicht in Gotteshäusern (d.h., Tempeln) statt. Vielmehr kommt (im Falle einer Hindu-Hochzeit - bei christlichen oder islamischen Hochzeiten sieht das natürlich wieder ganz anders aus) ein Brahmanen-Priester (ein Priester aus der entpsrechenden Kaste) zu der Hochzeitgestellschaft, die sich dann irgendwo in einem Veranstaltungssaal eines Hotels o.ä. einfindet. Extrem große Hochzeiten mieten gerne mal nen ganzen Strand an, kleine Hochzeiten werde wahrscheinlich in Slums o.ä. stattfinden, meine bengalische Hochzeit war in einer Kleinstadt außerhalb Kalkuttas im Mittelklasse-Rahmen. Die Zahl der Gäste war mit 300 wohl sehr gering.

Die Bilder in meiner Galerie sind eigentlich alle selbsterklärend bzw. hab ich das Wichtigste schon als Kommentar dazu angegeben. Das Interessanteste war sowieso die Stimmung, die sich natürlich schwer beschreiben lässt. Also, das Brautpaar stand gar nicht so im Mittelpunkt, vielmehr war es ein großes Familienevent. Organisiert wird das Ganze natürlich von den Eltern der Braut, die natürlich alle herzlich begrüßen, ob sie sie nun kennen oder nicht. Trotzdem sind die Familien erstmal noch recht klar getrennt, die Gäste des Bräutigams kriegen bspw. alle eine Rose als Erkennungsmerkmal.

Die Hochzeitsprozession selbst fängt damit an, dass Bräutigam und Braut in verschiedenen Zimmern sitzen und zunächst erst einmal den Segen des Priesters erhalten, der Bräutigam auch noch den der Schwiegereltern. Dann kommt der Bräutigam in den Hauptsaal und muss dort allerlei andere religiöse Rituale absolvieren - bei denen er selbst einige Male nachfragen musste, was er denn nun zu tun hat. Denn das Lustige ist, dass die Gäste teilweise selbst gar nicht wissen, was da abläuft, weil sich nicht etwa jeder die Prozedur ansieht. Was der Priester sagt, hört man überhaupt nicht, weil sich alle unterhalten, teilweise schon beim Essen sitzen, zwischendurch auch einmal herausgehen usw. Und selbst, wenn er laut redete, würde ihn keiner verstehen, weil die Prozedur wohl hauptsächlich auf Sanskrit stattfindet - eine tote Sprache; man muss sich das so vorstellen, als würde bei uns nur auf Latein geheiratet werden.

Spannend wurd’s dann wieder, als die Braut gebracht wurde. Und zwar wortwörtlich gebracht: Bei bengalischen Hochzeiten wird die Braut von ihrer Familie auf einem Holzbrett hereingetragen! Wobei bei etwas fülligeren Bräuten wohl gerne auch von diesem Brauch abgesehen wird. Danach ging die langwierige Hochzeitsprozedur dann mit beiden Beteiligten weiter, aber auch hier konnte man sich zwischendurch etwas zu Essen holen - zeitweise werden wirklich nur Gebete gesprochen. Am Ende läuft das Paar dann noch sieben mal (unterbrochen von Gebeten) um ein Feuer, und dann werden die Gewänder aneinander geknotet. Danach durften die beiden dann endlich auch was Essen.

Die Hochzeitsfeier selbst geht dann aber noch weiter: Das Brautpaar geht dann ins Haus der Eltern, am nächsten Morgen wird die Braut noch feierlich mit roter Farbe auf der Stirn als verheiratet “markiert” - und berührt die Füße des Bräutigams. Im Anschluss geht es dann weiter zum Haus der Eltern des Bräutigams, wo dann weiter gefeiert wird. Traditionell zieht das Brautpaar ja bei den Eltern des Bräutigams ein, wobei das bei diesem Paar nicht der Fall ist.

Überhaupt ist natürlich auch in Indien nicht alles noch überall so traditionell, wie es mal war. Laut Shubho ist der Teil seiner Familie zwar noch recht konservativ, trotzdem war die Hochzeit nicht arrangiert - was aber durchaus noch in einem großen Teil der Bevölkerung der Fall ist! Der Bräutigam ist Software Engineer (so wie die meisten studierten Inder heutzutage, wie’s scheint), ebenso wie seine Frau, und sie haben sich auf der Arbeit kennen gelernt. Was allerdings nicht akzeptabel gewesen wäre, wäre ein Zusammenziehen vor der Hochzeit - zumindest nicht offiziell.

Jetzt macht sich Shubho schon etwas Sorgen um seine Zukunft. Nur noch einer seiner Cousins ist im Moment unverheiratet. Als nächstes wird man dann versuchen, ihn zu verkuppeln...

Die Hochzeit war auf jeden Fall einen Ausflug wert - auch wenn wir mit einem etwas siffigen Reisebus angereist sind. So eine kulturelle Erfahrung hat man in der Regel aber wirklich nur, wenn man in dem Land auch eine Zeit lang lebt und Leute kennen lernt.

Wobei wir bei dem Thema wären, dass es mir hier in letzter Zeit wirklich super geht. Also, die ganze Zeit über fühle ich mich ja schon wohl, aber so um Weihnachten herum hatte ich schon etwas Heimweh. Auch jetzt freu ich mich natürlich etwas auf Deutschland und gewisse europäische Annehmlichkeiten, insgesamt überwiegt aber in letzter Zeit eher die Wehmut, dass es bald schon vorbei ist: Februar ist bald halb herum, die Vorlesungen sind in der letzten Februarwoche dann schon vorbei und im März kommt dann ja schon mein Bruder Felix zu Besuch, um etwas herumzureisen, bis Mitte April. Wie ich da alles unterkriege, muss ich noch sehen...

Morgen kommt erstmal Qaiss aus Jodhpur zu Besuch - einer der vier Freiburger “Pioniere” in Indien. Am Wochenende findet hier ein Festival statt, unter anderem mit einem Fußballturnier, an dem Qaiss’ Uni aus Jodhpur teilnimmt! Am ersten Märzwochenende werd ich wiederum Dominic (der zwei Semester über uns in Freiburg war) in Hyderabad besuchen und mir dort einmal die Uni ansehen. Wie’s dann genau weitergeht, müssen wir noch gucken, wahrscheinlich kommt Matthias aus Bangalore Anfang März, dann kommt Felix, dann reisen wir etwas durch Nordindien und nachdem Felix nach Deutschland zurückfliegt, werd ich noch zwei Wochen in Indien haben, in denen ich dann die Kommilitonen besuche. Da Indien aber nun nicht sooo klein ist, muss das halt alles genau abgepasst sein. Aber über die genaueren Pläne kann ich ja später noch an dieser Stelle informieren!

Achja: Paul hat sich heute eine Glatze schneiden lassen. Nach den langen Haaren ist das jetzt natürlich auf dem Campus Gesprächsthema Nummer eins. Jetzt muss ich mir auch was einfallen lassen... ;)

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