10:24 Uhr, 24.01.2008

Bombay

Am Wochenende habe ich meinen Kommilitonen Anuj in Bombay besucht. Anujs Familie wohnt eigentlich in Bangalore, sie haben aber auch eine Wohnung in Bombay, wo Anujs Großeltern wohnen. Also hat er mich gefragt, ob ich mit will - und da sage ich natürlich nicht nein! Einerseits ist es immer spannend, neue Leute hier in Indien kennen zu lernen (und vor allem mal ein bisschen einen Einblick ins Familienleben zu bekommen), andererseits war es auch mal wieder Zeit für einen Ausflug.

Gereist sind wir per Flugzeug, mit der Billig-Airline IndiGo. Das nimmt sich wirklich überhaupt nichts mit Flügen innerhalb Europas; die Flugzeuge sind modern, die Sitze für 1,80-plus-Menschen recht eng, der Service gut, aber es kostet was. Ähnlich wie bei easyJet, Ryanair und Konsorten eben.

Eine lustige Geschichte ist aber, wie mein Flugticket aussah. Anuj hat die Tickets besorgt, wusste aber nicht, wie ich mit Nachnamen heiße. Also schrieb er einfach “Florian W”, W für Wuppertal. Die Tickets wurden also für Mr. W ausgestellt. Ich war mir sicher, dass es da zumindest Diskussionen geben würde - aber Anuj versicherte mir, dass das allen egal sein würde, “this is India!”. Und in der Tat hat zunächst einmal überhaupt niemand nach meinem Ausweis gefragt, und als sie das beim Rückflug dann doch taten, war ihnen wohl egal, dass die Nachnamen nicht übereinstimmen. Finde ich etwas seltsam; warum muss man dann beim Flugticket überhaupt den Namen angeben?

Auch die Sicherheitsvorkehrungen am Flughafen fand ich etwas undurchsichtig. Im Gegensatz zu Europa muss man sich auch anstellen, um sein Gepäck, das man einchecken will, zu durchleuchten. Damit geht man dann zum Schalter und gibt es da auf - wo es wahrscheinlich nochmal durchleuchtet wird. Geht man dann zum Gate, wird das Handgepäck durchleuchtet, in dem man aber in Indien anscheinend immer noch (unbegrenzt) Flüssigkeiten mit sich tragen darf. Und dann geht man durch einen Metalldetektor, ohne jedoch dazu aufgefordert zu werden, metallene Gegenstände auf das Band gelegt zu haben. Dementsprechend hat jeder noch Armbanduhr, Handy, Portemonnaie, etc. dabei und die Metalldetektoren gehen bei jeder einzelnen Person (Männer und Frauen übrigens getrennt, denn danach wird man ja nochmal einzeln begutachtet) los. Also wird jede einzelne Person auch nochmal mit Hand-Detektoren untersucht. Die schlagen dann bei Gürtel und allen Gegenständen in den Hosentaschen aus - wobei aber niemand überprüft, was denn nun in den Hosentaschen ist. Überhaupt gibt es in Indien überall Metalldetektoren zum Durchlaufen; an Bahnhöfen, U-Bahn-Stationen, Kinos usw. Da laufen die Leute auch fröhlich durch, die Dinger piepen bei jedem einzelnen Besucher und keinen interessiert’s.

Deswegen glaube ich mittlerweile, dass das meiste, was an Sicherheitschecks an Flughäfen durchgeführt wird - und das nicht nur in Indien - hauptsächlich Show ist. Man erinnere sich nur daran, wie nach dem 11. September 01 auf USA-Flügen das Gepäck komplett vor den Augen der Passagieren durchwühlt wurde. Wozu eigentlich? Es wird doch eh durchleuchtet und kann “im Hintergrund” nochmal geöffnet werden. Wahrscheinlich wollte man das der Öffentlichkeit einfach nur zeigen. Wenn ich über sowas nachdenke, rege ich mich noch mehr über entsprechende Sicherheitsgesetze auf - wenn da, wo Sicherheitsvorkehrungen wirklich sinnvoll sind, so Seltsames praktiziert wird.

Aber zurück zu Bombay. Die Stadt ist wirklich toll; unbedingt auch meine Galerie ansehen! Sie ist in vielerlei Hinsicht ziemlich westlich: Die ganzen Wolkenkratzer erinnern schon etwas an New York, die “Altstadt” im Süden, die ursprünglich ein Fort auf mehrere Inseln verteilt war (danach gab es viel Landgewinnung, so dass Bombays Süden eine Halbinsel geworen ist), wurde von den Engländern errichtet und sieht dementsprechend sehr europäisch aus. Auch die Medien, Werbeanzeigen, die Leute auf den Straßen, die Autos usw. wirken viel westlicher. Andererseits ist es natürlich immer noch eine indische Stadt; um den Flughafen herum gibt es Slums (insgesamt offenbar die größte Slum-Fläche Asiens), viele Menschen schlafen auf den Straßen, und die Stadt ist vor allem zu Stoßzeiten unheimlich überfüllt. Gerade bei letzterem bin ich gespannt, wie sich das noch entwickeln soll, denn Bombay wächst weiter.

Anujs Familie fand ich unheimlich nett; am Donnerstag kamen wir zusammen mit seiner Schwester an, am Freitag kam sein Vater, am Sonntag seine Mutter dazu. Das Wochenende begingen wir relativ ruhig, zunächst hatte ich schon darüber nachgedacht, wie ich am besten möglichst viele Sehenswürdigkeiten sehen könnte, aber letztendlich hat es mir doch besser gefallen, mir ein bisschen die Stadt anzusehen, sich aber nicht zu viel Stress zu machen und so vielleicht weniger zu sehen, das aber mehr zu genießen.

Am Freitagmorgen sind wir dann erstmal schwimmen gegangen (das hab ich schon lange nicht mehr gemacht - ist in Indien, oder zumindest in Kalkutta, nicht so verbreitet) und haben uns dann ein wenig die Innenstadt angesehen. Außerdem haben wir Anujs Großeltern besucht, die (für Indien relativ ungewöhnlich) nicht zusammen mit der Familie eines Sohnes o.ä. wohnen, sondern immer noch alleine. Was für Senioren in Indien aber auch einfacher ist, denn Betreuung kann sich der indische Mittelstand ohne Probleme leisten. Freitagabends haben wir zwei Onkel von Anuj und deren Frauen getroffen (wobei “Onkel” ein sehr weiter Begriff ist - die sind irgendwie mit seiner Mutter verwandt) und waren dann im Anschluss noch im Hard Rock Café. Auch das mutete sehr westlich an - untergebracht in einer alten “Mühle”, also ähnlich wie umfunktionierte Fabrikhallen, etwa im Ruhrgebiet. Preislich konnte das Café durchaus mit seinen Pendants in Europa mithalten, und die T-Shirts waren mit 20 Euro pro Stück für indische Verhältnisse auch sauteuer. Und warum man gerade aus Italien Bier importieren muss (und nicht etwa aus Deutschland, Tschechien oder den britischen Inseln), verstehe ich nicht so ganz... Das Ganze wurde aber mindestens durch die YMCA-Performance sämtlicher Kellner wieder gut gemacht!

Samstag sind wir auch wieder relativ ruhig angegangen: Morgens gingen wir zu einem weiteren “Onkel” nach Hause (wobei der nur ein Bekannter und ehemaliger Kollege des Vaters ist), wobei der Onkel selbst gar nicht da war, sondern nur seine Frau und seine Töchter. Die Töchter waren beide in ihren Teenager-Jahren und haben sich dementsprechend lustig miteinander und mit ihrer Mutter gestritten - Anuj und ich haben später nur noch mit “Shaddap, okay!?” aufeinander geantwortet (das Ganze verbunden mit dem indischen Kopfwackeln: Statt zu nicken, wird gerne der Kopf zu beiden Seiten hin gewackelt, was, wenn man nicht genau hinsieht, teilweise wie ein Kopfschütteln aussehen kann, aber trotzdem “ja” bedeutet. Allerdings wird das auch gerne benutzt, um dem, was man sagt, mehr Ausdruck zu verleihen!). Das Frühstück war aber sehr nett, und die Mutter hat von ihren Europa-Reisen erzählt - ein Fotoalbum mit Bildern aus Köln und dem Schwarzwald inklusive. Wuppertal oder Freiburg hat die gute Dame aber nicht bereits.

À propos: Das Tanztheater Wuppertal von Tina Bausch tourt gerade durch Indien. Allerdings war das Theater in Bombay, bevor ich in Bombay war und in Kalkutta, während ich in Bombay war. Aber immerhin habe ich mir in Bombay ein Magazin mit einem Artikel über Frau Bausch besorgen können - der auch Wuppertal beschreibt!

Wie dem auch sei, später haben wir uns dann noch mit Freunden von Anuj, die ursprünglich aus Kalkutta stammen, zum Mittagessen getroffen - sehr gutes Seafood, mit einem Fisch, der lustigerweise “Mumbai Duck” heißt. Ein Entenfisch also. Im panierten zustand ließ sich aber nicht feststellen, woher dieser Name rührt.

Später haben wir uns dann noch ein Neubaugebiet Bombays angesehen, wo wirklich alles extrem ordentlich aussieht - Hochhäuser in Sandsteinfarben und sehr moderne Geschäfte, ein Supermarkt warb sogar für Dr.-Oetker-Müsli (wobei ich das im Supermarkt selbst nicht finden konnte...). Dort befand sich auch noch eine Kartbahn, die gar nicht schlecht aussah und auch wesentlich günstiger als die von Herrn Schumacher in Kerpen ist - allerdings war die Wartezeit so lang, dass wir leider keine Runden drehen konnten...

Dafür sind wir im Anschluss in einem sehr chicen Hotel indisch Essen gegangen, und zwar mit der ganzen Familie (bis auf die Mutter, die ist ja erst am Sonntag gekommen), einer amerikanischen Freundin von Anujs Schwester, eine Cousine sowie ihr Bruder, dessen Frau und neun Monate altem Sohn, der nach deren Ankunft alle Aufmerksamkeit auf sich zog - und schön den sauberen Boden mit Obst zugesaut hat!

Sonntag haben wir dann noch eine etwas verrückt-aufgedrehte Freundin und ihre Cousine von Anuj getroffen - was aufgrund der Verrückt-Aufgedrehtheit auch sehr lustig war. Zusammen waren wir bei einer ihrer Freundinnen Mittagessen. Im Anschluss haben wir noch weitere die Stadt erkundigt, waren abends dann in einem “Deli”/Restaurant (nein, nicht Delhi!!) essen - und zwar so richtig schön westlich: Ein großer, schön ungesunder Burger mit ungesund Speck, Brie (Brie!!! Richtiger Käse!!!!!) und Pommes. Und dazu Heineken-Bier. War auch (für indische Verhältnisse) gut teuer, aber das musste dann mal sein! Nachher haben wir uns noch mit der verrückten Freundin plus Cousine zum Nachtisch getroffen - ein Oreo-Cookie-Milchshake, so einen hatte ich schon seit Amerika-Zeiten nicht mehr getrunken!

Montags haben wir uns dann vor unserem Rückflug nochmal in die Alstadt begeben, um eine geführte Privattour zu machen - auch mal ganz praktisch. Da verweise ich aber einfach mal auf die Galerie, die letzten Bilder sind da relativ selbsterklärend.

Auf jeden Fall ein sehr schönes Wochenende - eines der schönsten, die ich in Indien bisher hatte!

Dienstag war dann wieder groß was in Kalkutta los: Zum Sommersemester verlassen die Studenten aus dem fünften Jahr die Uni, und im Januar gibt es für sie eine von denen aus dem vierten Jahr organisierte Party. Dort wurde jeder mit einer kleinen Trophäe geehrt, danach eröffneten Bar, Buffet und Dancefloor - eine sehr feucht-fröhliche Party. Die Fotos, die man davon noch einigermaßen veröffentlichen kann, werde ich gleich auch noch in die Galerie stellen... Die Feier konnte auf jeden Fall mit Jungliberalen-Parties mithalten!

Am Wochenende hat mich mein Kommilitone Shubho wiederum zu einer Hochzeit irgendeines Cousins (wieder der Zusatz: “Cousin” ist wie “Onkel” und sogar “Großvater” ein relativ weiter Begriff!) eingeladen. Nach einer Wedding Reception werd ich jetzt also auch eine ganze Hochzeit miterleben können! Am Montag sollte es dazu mehr geben.

2 Kommentare

  • Neid

    Von frau_resi 16:58 Uhr, 24.01.2008

    Hej there,

    hab gerad sowohl die Fotos bestaunt als auch deinen Bericht gelesen...*heul*...klingt schon sehr sehr nett, lustig und aufregend.
    Bist aber echt auf vielen Festivitäten und Events eingeladen.
    Habt ihr eigentlich auch Karneval oder something like that in good old India?

    Wie schmeckt denn eigentlich das italienische Bier? Und was ist das für'ne Sorte gewesen? Kenn glaub ich kein einziges.

    Cheers!
    Verena

  • Taj Mahal

    Von derwetzel 15:24 Uhr, 27.01.2008

    Hi,

    kommst ja ganz schön rum in Indien. Ich kann mich da nur dem Neid meiner Vorrednerin anschließen *G*

    Wie schaut es denn mit dem Taj Mahal aus, schon dort gewesen, geplant oder meinst du alleine ist das vergebliche Liebesmüh? *G*

    Gruß
    Andreas

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