Ein Semester in Indien

Seit dem 31. Oktober 2007 bin ich für ein Semester an der National University of Juridical Sciences, NUJS, in Kolkata, Indien. In diesem Blog berichte ich über all meine Erfahrungen.

9:47 Uhr, 01.05.2008

Alles hat ein Ende...

Da ist er nun, der allerletzte Blogeintrag. Seit dem letzten Eintrag – d.h., seit ich Kalkutta ein erstes Mal für die große Reise mit Felix verließ –, ist natürlich sehr viel passiert. Wer Lust hat, kann sich die Bilder der Reise gerne in der Galerie ansehen, bei vielen dürfte die Weisheit, dass ein Bild mehr als tausend Worte sagt, sicherlich zutreffen. Ein paar Zeilen zu den jeweiligen Abschnitten der Reise möchte ich natürlich trotzdem verlieren. Ich werde versuchen, es kurz zu fassen.

Mein Bruder Felix erreichte Kalkutta am Morgen des 11. März, einen Tag nach meinem letzten Blogeintrag. Es wahr sehr lustig zu sehen, wie er auf die ganzen neuen Eindrücke reagierte, die sich in Indien boten, was mich natürlich an meine eigene Ankunft einige Monate zuvor erinnerte: Ob es nun Kühe auf der Straße waren, die Fahrweise der Taxifahrer, die Tatsache, dass und wie man mit diesen handeln musste usw. Da Felix natürlich gerade einen langen Flug hinter sich hatte und sich erstmal an das neue Klima – das in Kalkutta zu der Zeit schon recht ordentlich war, über 30 Grad und sehr hohe Luftfeuchtigkeit – gewöhnen musste, haben wir am ersten Tag noch nicht viel gemacht, außer uns mit meinen Freunden an der Uni zu unterhalten und mit Paul und Lun, die man auch auf vielen Bildern sieht, Kaffee trinken und ins Einkaufszentrum zu gehen. So lernte Felix die Uni und ihre unmittelbare Umgebung etwas kennen.

In den darauffolgenden Tagen haben wir uns Kalkutta angesehen, wobei Felix sich, glaube ich, noch etwas schwer tat, mit den etwas stressigeren Teilen Indiens zurechtzukommen – unter anderem der „New Market“ in Kalkutta, den man vor allem als Tourist nicht betreten kann, ohne von allen Seiten mit irgendwelchen Angeboten genervt zu werden. Er schien die Stadt aber allemal spannend zu finden.

Nachdem wir am letzten Tag noch einmal mit Lun und Paul im Hyatt Hotel frühstücken waren (man gönnt sich ja sonst nichts – für deutsche Verhältnisse war’s aber auch noch bezahlbar, wie ich angesichts der deutschen Preise, die mir hier jetzt besonders wieder auffallen, mittlerweile sage kann) und uns von denen, die wir nicht mehr sehen würden, verabschiedet haben, ging der Flug zu unserem ersten Ziel: Jaipur.

Jaipur

In Jaipur haben wir in erster Linie meinen Freund Shantanu besucht und bei seiner Familie gewohnt, die uns sehr gastfreundlich aufgenommen hat. Die Stadt wird auch die „Pink City“ genannt, da einer der Mogulenherrscher der Stadt viele Häuser rosarot streichen ließ – man erkennt es ein wenig auf den Bildern. Interessant waren in Jaipur vor allem der Stadtpalast, der so genannte Wind-Palast, aus dem die Frauen der Mogulen bei einer angenehmen Brise ihr Volk beobachten konnten, ohne selbst gesehen zu werden, und das Fort, das über der Stadt thront. Jaipur ist die Hauptstadt des Staates Rajasthan, der vor allem bei Touristen sehr beliebt ist. Dementsprechend waren auch viele Ausländer in der Stadt unterwegs, die sich wiederum dem Tourismus angepasst hat: Zum Fort konnte man auf einem Elefanten reiten, wobei für die Bequemlichkeit der Touristen schon eine Art „Bank“ auf die Rücken der Tiere geschnallt war und man eine Treppe heraufsteigen konnte, um aufzusteigen. Das Ganze hatte mit einer langen Warteschlange etwas von Disneyland. Außerdem saßen an der Straßenseite des öfteren Schlangenbeschwörer, deren Haustiere sich aber anscheinend nicht großartig für irgendwas interessierten. Wir durften eine Cobra auch mal anfassen, der allerdings ihre Giftzähne entnommen wurden. Zumindest wirkten sie nicht sonderlich angriffslustig... Siehe auch das Fotoalbum.

Jodhpur

Nach Jaipur ging es weiter mit dem Nachtzug nach Jodhpur, wo Qaiss studiert. Dort war außerdem noch ein weiterer ehemaliger Kommilitone aus Freiburg, Christian, der Qaiss und Matthias (in Bangalore) besucht und mit den beiden bereits eine kleine Backpacker-Reise in Südindien hinter sich gebracht hatte. In Jodhpur gab es dann ebenfalls ein Fort zu sehen, dass Felix, Christian und ich besichtigt haben, während Qaiss (der mit Christian im selben Zug angekommen war) bereits wieder zu Vorlesungen musste. Abends haben wir uns dann noch die Uni angesehen, die zwar ziemlich weit außerhalb liegt, dafür aber auf einem wesentlich größeren Campus als beispielsweise NUJS untergebracht ist. Ein paar Kommilitonen von Qaiss haben wir auch getroffen, darunter auch eine aus Bangalore, die Kavana von NUJS kannte – die Welt ist auch in Indien klein. Da wir mit dem Fort das Wichtigste von Jodhpur (übrigens eine „Blue City“, auch wenn sie nicht so genannt wird – die Häuser sind blau gestrichen, was vor allem bei strahlendem Sonnenschein mit blauem Himmel sehr schön aussah) schon gesehen hatten und ich gehört hatte, dass die relativ nahe gelegene Stadt Udaipur sehr schön sein soll, reisten wir am nächsten Tag aber schon wieder ab – Qaiss und Christian würden wir ja auch in Deutschland wiedersehen!

Bei der Reise nach Udaipur stellt sich wirklich die Frage, ob es sich gelohnt hat. Wir hatten bereits für den darauffolgenden Tag Tickets für einen Zug Richtung Norden von Jodhpur besorgt, so dass wir nach Udaipur morgens hin und abends zurückfahren mussten. Laut Reiseführer betrug die Fahrzeit mit einem Bus 5,5 Stunden – bei einer frühen Hin- und späten Rückfahrt ginge das ja so gerade noch. Also nahmen wir um 5 Uhr morgens einen Bus, der dann allerdings erst um 12:30 Uhr ankam – war wohl nichts mit fünfeinhalb Stunden. Bis 18 Uhr hatten wir dann also Zeit in Udaipur, dann wollten wir den Bus zurücknehmen, um wiederum am nächsten Morgen um 10 Uhr den Zug zu bekommen. Nun muss man dazu sagen, dass Busfahrten in Indien oft alles andere als angenehm ist. Wenn es sich nicht gerade um einen Luxusbus mit guter Federung und Klimaanlage handelt, sitzt man nicht gerade bequem, es ist sehr holprig und gerne auch ziemlich voll. Wir hatten zwar Sitzplätze, aber die boten nicht sonderlich viel Platz. Entsprechend gerädert kamen wir in Udaipur an und waren angesichts der anstehenden Rückfahrt nicht gerade voller Freude...

Allerdings bin ich der Meinung, dass sich der „Ausflug“ auf jeden Fall gelohnt hat. Udaipur gilt als „Venedig des Ostens“ oder auch eine der schönsten Städte der Welt. Ich war noch nie in Venedig und habe schon viele schöne Städte gesehen (und bin überzeugt, dass ich in Freiburg in einer der schönsten überhaupt wohne), aber Udaipur ist wirklich toll. Die Stadt liegt an einem großen, künstlichen See, auf dessen Insel ein Palast steht, während die Stadt selbst auch einige Prunkbauten bietet. Das Wetter war herrlich (in Rajasthan ist es zwar auch sehr heiß, aber dafür trocken) und das ganze Bild mit dem See, den man sehr schön von Restaurants mit Dachterrassen beobachten kann, ist wunderschön. Nach einem wirklich schönen Tag, an dem wir auch auf einem Boot über den See kutschiert wurden, fand ich die Rückreise dann auch nicht so schlimm, da ich im Bus sogar etwas schlafen konnte. Nervig waren dann wieder nur die Auto-Rickschah-Fahrer, die uns nach dem Aussteigen aus dem Bus wieder geradezu überfielen, aber mittlerweile wusste ich ja, wie man mit ihnen umgeht.

Amritsar

Am nächsten Tag folgte also die Reise gen Amritsar. Da es offenbar keinen Direktzug von Jodhpur nach Amritsar gibt, hatte ich mich entschieden, einen Zug nach Chandigarh zu nehmen – Hauptstadt des Staates Punjab –, um von dort aus mit dem Bus weiterzufahren. Zug fahren ist in Indien sehr angenehm, vor allem die Nachtzüge, in denen jeder eine eigene Liege bekommt. Wir haben uns auf dieser Fahrt auch die Klasse AC-2 gegönnt; es gab also eine Klimaanlage und nur zwei Liegen übereinander, wodurch man etwas mehr Platz hat. Für die 17-stündige Fahrt (wir würden erst am nächsten Tag morgens ankommen) haben wir zu zweit rund 38 Euro bezahlt. In günstigeren Klassen geht’s noch um einiges billiger, aber da ein großer Teil der Reise tagsüber war und da sich in Rajasthan im März schon Temperaturen über 30 Grad vorfinden lassen, war es mir den Aufpreis für die Klimaanlage dann doch wert.

Nach der Ankunft in Chandigarh (früh morgens, ich glaube, ungefähr 6) mussten wir erst einmal eine Autorickschah zu einem Reisebusstand nehmen, um dann mit dem Bus ein paar Stunden weiter nach Amritsar zu fahren. Eine Direktverbindung gab’s ja nicht. Da wir unsere Busfahrt nach und von Udaipur noch etwas negativ in Erinnerung hatten und es auch noch so früh morgens war, waren wir beide nicht sonderlich gut gelaunt – auch ich nicht, und als der Bus dann noch alles andere als bequem war (die Sitze waren für Leute gebaut, die maximal 1,70 Meter groß sein sollten) und die Fahrt sich auch als äußerst rasant gestaltete (Felix meinte zwischendurch, er wäre sich nicht sicher gewesen, ob er sie überleben würde, und ich saß zwischenzeitlich auf einem Einzelsitz ganz vorne und konnte jeden Überholvorgang beobachten – eine Achterbahn ist da gar nichts gegen, aber ich hatte mich mittlerweile ja an sowas gewöhnt und fand’s eher spannend), entschlossen wir uns, Busfahrten auf der weiteren Reise weitestgehend zu vermeiden. Es sollte nicht die letzte Busfahrt werden, aber doch die unbequemste bleiben.

Amritsar selbst ist eigentlich keine sonderlich schöne Stadt, im Gegenteil. Aber es gibt eine Attraktion, aufgrund derer sich eine Indienreise alleine schon lohnen würde: Der Goldene Tempel der Sikhs. Die Sikhs sind eine aus dem Hinduismus und dem Islam hervorgegangene Religion – das als starke Vereinfachung, so genau habe ich mich damit noch nicht befasst. Zu erkennen sind Sikhs aber an ihrem Turban, traditionell müssen sie als Kriegervolk außerdem einen Dolch mit sich herumtragen. Der Goldene Tempel wurde auch dadurch bekannt, dass die indische Premierministerin ihn in den 1980er Jahren stürmen ließ, als sich Sikh-Separatisten in dem Tempel versammelt hatten – woraufhin ihre Sikh-Leibwächter Gandhi selbst ermordeten.

Wir haben uns sehr lange an diesem Tempel aufgehalten, den man mit seinen Gebäuden drumherum, dem künstlichen See und vor allem der tollen Atmosphäre selbst erlebt haben muss. Es ist zwar viel los, aber anders als in anderen indischen Orten mit viel Bevölkerungsaufkommen gab es kein Gedrängel, keinen Stress oder ähnliches. Wer möchte, kann in der riesigen Kantine des Tempels kostenlos etwas essen, auch kann man auf dem Gelände kostenlos (bzw. gegen eine günstige Spende) wohnen. Da ich nicht wusste, wie das Ganze aussehen würde, hatte ich mich vorab für ein Hotel für uns entschieden, aber bei meiner nächsten Reise nach Amritsar (den Tempel möchte ich irgendwann schon noch einmal sehen!) würde ich das auch in Anspruch nehmen. Auch das Essen war zwar einfach, aber wirklich gut.

Interessant waren außerdem ein paar Leute, die wir am Tempel getroffen haben: Ein Brite indischer Abstammung, der selber Sikh war und uns etwas zur Religion usw. erzählen konnte. Tja, und dann saßen Felix und ich einmal am Rand des Sees, hatten uns allerdings nicht richtig (im Schneidersitz) hingesetzt. Dann kam ein „Wächter“ vorbei, der uns etwas in einer indischen Sprache sagte – was wir natürlich nicht verstanden. Englisch schien der Mann nicht zu können. Ein Junge neben uns übersetzte dann für uns und erklärte uns die Sitzvorschriften. Daraufhin müssen wir noch irgendetwas zueinander gesagt haben, denn plötzlich kam der Wächter wieder und sprach uns auf Deutsch an – und zwar mit schwäbischem Dialekt. Wie sich herausstellte, hatte er 11 (glaube ich) Jahre lang in Stuttgart als Gabelstaplerfahrer gearbeitet! Sachen gibt’s – auf jeden Fall haben wir den Herrn später noch einmal getroffen, auch ein Foto mit ihm gemacht (s. Galerie) und er hat uns außerdem noch einen Kaffee ausgegeben. Nach weiteren Gesprächen mit ihm (jeder zweite Satz schloss mit einem „verstanden, gell!?“ ab) machte er sich dann auf den Weg nach Hause; 17 Kilometer mit dem Fahrrad, wie er sagte.

Von Amritsar aus sind wir dann am nächsten Tag noch an die Grenze zu Pakistan gefahren. Was wir da wollten? Der Grenzübergang bei Attari ist dafür bekannt, dass die Soldaten dort bei jeder Schließung der Grenze am abends eine kleine Parade aufführen – und zwar sowohl die indischen als auch die pakistanischen, aufeinander abgestimmt, was ich allein aufgrund der Rivalität zwischen den Staaten etwas seltsam fand. Aber gut. Irgendwann waren die Inder (oder die Pakistanis oder beide gleichzeitig) wohl auf die Idee gekommen, dass man sich das Ganze ja mal ansehen konnte. Überhaupt ist der Inder im Allgemeinen sehr neugierig; auch, wenn ich irgendwann in Indien mal mit jemandem diskutiert habe o.ä., stellte sich gleich ein Inder daneben und guckte einfach zu. Manchmal haben uns Inder auch einfach nur so angestarrt – „oh, Weiße!“ Oder andere Reisende forderten uns auf (wie zuvor schon einmal berichtet) mit ihnen auf ein Foto zu kommen – nachdem das einige zig Male passiert ist, wird das auch etwas nervig, aber gut. Wie dem auch sei, an der Grenze hatten die Verantwortlichen nach einiger Zeit sogar Tribünen aufgebaut, die Menge heizt mittlerweile ein Animateur an, der die Soldatenparaden moderiert. Es war wirklich unheimlich voll, und viel Rücksicht nimmt die Menge in einem so dicht besiedelten Land wohl nicht mehr – wir mussten unsere einigermaßen annehmbare Plätze auf einer Treppe wirklich verteidigen. Die Grenzzeremonie muss ich aufgrund dessen nicht unbedingt nochmal sehen, spannend war es aber trotzdem.

Dharamsala

Am folgenden Tag sind wir zusammen mit zwei Amerikanern, mit denen wir uns ein Taxi teilten (rund fünf Stunden Fahrt für rund 10 Euro pro Person, glaube ich), Richtung Dharamsala im Nordwesten Indiens gefahren. Dharamsala war ja in den letzten Wochen öfters in den Medien: Es ist der Ort der Exilregierung des Dalai Lamas, wobei diese eigentlich im eigenen Ort McLeod Ganj ist, in dem wir auch wohnten. Unser Hotel dort war wirklich gut und hatte eine schöne Dachterrasse mit ordentlichem Frühstück. Dharamsala erinnerte mich etwas an Sikkim, wenn es auch (alleine aufgrund der Exiltibeter) etwas touristischer war. Rund die Hälfte der Bevölkerung stammt aus Tibet, und dort konnten wir auch den Konflikt mit China im Rahmen der Olympischen Spiele hautnah miterleben – jeden Tag gab es mehrere Demonstrationen, Tibeter hatten sich zu Hungerstreiks versammelt usw. Am Tag zuvor hatte die amerikanische Kongressführerin Nancy Pelosi den Dalai Lama besucht, am Tag unserer Ankunft waren die beiden aber weiter nach Delhi gereist – einen zufälligen Blick auf Seine Heiligkeit konnten wir also nicht erhaschen.

Trotzdem war die Stadt sehr schön zu sehen, und außerdem konnten wir kurz meine Kommilitonin Diptoshree aus Kalkutta treffen, deren Vater in der Nähe von Dharamsala arbeitet. Dipto haben wir auch am Tag unserer Abreise noch einmal besucht.

Nach einem Tag in McLeod Ganj wollten wir dann auch in den Bergen wandern gehen. Zur Sicherheit haben wir uns hierfür einen Bergführer besorgt, der rückblickend zwar nicht nötig gewesen wäre, lustig war’s mit ihm aber trotzdem. McLeod Ganj selbst liegt ungefähr auf 2000 Metern Höhe, wir sind dann bis auf 1300 Meter hoch gewandert – mit sehr tollen Ausblicken, die ich leider auf den Fotos nicht wirklich einfangen konnte, trotzdem sind einige sehr gute Bilder dabei herausgekommen. Auf dem Weg herunter haben wir dann noch ein wirklich nicht schlechtes Mittagessen an einer Berghütte bekommen und zwei Irinnen (ebenfalls mit einem – loch lustigeren – Führer) getroffen, die insgesamt viele Monate durch Indien reisen würden und auch ein paar Tage ehrenamtlich in Mutter Theresas Mission in Kalkutta gearbeitet hatten – und dort auch Marieke vom Sehen und sowie einen Iren besser kannten, den wir bei Mariekes Abschiedsessen in Kalkutta kennen gelernt hatten! Die Welt ist doch klein.

Nach einer wirklich schönen Wanderung, auf der ich den ersten Schnee seit dem Winter 2006/07 vom Nahen sehen konnte, und einem ordentlichen Sonnenbrand für uns beide (die Höhensonne hatten wir wohl unterschätzt), sind wir abends nur noch erschöpft essen gegangen. Am nächsten Tag haben wir dann nur noch zu Fuß die Dörfer und einen Wasserfall um McLeod Ganj begutachtet, eine weitere größere Wanderung haben wir uns da erst einmal erspart.

Delhi

Nach einem Abstecher zu Diptoshree und ihren Eltern sind wir (zum Teil mit Bus, zum Großteil mit Zug) weiter gereist nach Delhi. Dort haben wir zwei Tage verbracht, an einem Tag davon sind wir nach Agra gereist, um uns dort das Taj Mahal anzusehen. Dazu kann man nur eines sagen: Man muss es einmal im Leben gesehen haben. Wenn man durch das Eingangsgebäude hindurchgeht und frontal auf das Gebäude drauf blickt, glaubt man wirklich, man blicke auf eine Leinwand, so unwirklich und perfekt sieht es aus. Aus der Nähe wird das Ganze dann etwas wirklicher, aber auch da ist das Gebäude noch beeindruckend.

Aus Agra gibt es sonst noch zu berichten, dass es ein schönes Fort gibt und man wieder einmal auf tricksende Verkäufer, Taxifahrer usw. aufpassen muss. Ein Taxifahrer hatte uns einen verdächtig günstigen Preis angeboten, um das Taxi für einige Stunden zu „mieten“ – ich bin einfach mal darauf eingegangen und habe den Haken später darin entdeckt, dass der Herr uns von einem Souvenirladen zum nächste fahren wollte, um Kommission zu kassieren. Wir haben dann einfach mehr Zeit im Fort verbracht, als er uns „vorgeschlagen“ hatte, woraufhin wir seinen schönen Kommissions-Plan durchkreuzen konnten, da er uns dann noch zum Bahnhof zurückbringen mussten. Was er dann für ein Gesicht gezogen hat, war sehr lustig.

Wie dem auch sei, wir haben ja auch zwei Tage in Delhi verbracht. Delhi hat mir insgesamt sehr gut gefallen, teilweise ist die Stadt sehr modern (Neu-Delhi), teilweise sieht’s aber auch so ähnlich aus wie in Kalkutta. Wir haben dort einige Sehenswürdigkeiten (diverse Tempel – besonders schön war wieder ein Sikh-Tempel, die größte Moschee Indiens, das ganze Regierungsviertel, das wirklich sehr beeindruckend, allerdings komplett nur von außen zu begutachten ist) besucht und uns außerdem mit einer Freundin aus Kalkutta, Abhisaar, getroffen. Eigentlich wollte ich noch einige andere Kommilitonen treffen, die dort ihre Praktika absolvierten, das haben die aber irgendwie nicht hinbekommen – wir hatten zwar früh genug bescheid gesagt, aber man kann ihnen auch zugute halten, dass sie wirklich viel arbeiten mussten.

Negativ war an Delhi, dass wir ein recht ordentliches und günstiges Hotelzimmer hatten, das allerdings gar kein Fenster hatte. Das ist mir zuerst gar nicht aufgefallen, ein bisschen Platzangst bekommt man dann aber schon. Außerdem ließ Felix seine Kamera, auf der noch ALLE seine Fotos aus Indien gespeichert waren, in einer Autorickschah liegen. Gott sei Dank hatte ich fast genau die gleichen Bilder gemacht (zumindest zu einem Großteil), trotzdem war das mehr als ärgerlich und Felix tat mir wirklich sehr leid. Falls das Wunder geschehen und die Kamera wirklich abgegeben und dann auch weitergegeben werden sollte, bin ich dann noch zur Polizei gegangen und habe den Verlust gemeldet – wer weiß, vielleicht tut sich da ja doch noch was... Auf jeden Fall stammen alle Bilder ab der Moschee aus Delhi und die Bilder aus Bombay dann von Felix, dem ich für die letzten Tage meine Kamera überließ.

Bombay

Nach einer wirklich fantastischen, aber auch etwas stressigen Reise sind wir dann die letzten Tage noch weiter nach Bombay geflogen, wo wir bei meinem Freund Anuj wohnen konnten, dessen Eltern eine wirklich schöne Wohnung haben, so dass sich die letzten Tage dort sehr entspannt gestalteten. Von Bombay hatte ich ja im Januar schon berichtet; dieses Mal haben wir uns wieder die Stadt angesehen, haben zwischendurch noch einmal Anujs Großeltern besucht und auch einige andere Studenten aus dem vierten Jahr getroffen, die zu einem Großteil ihre Praktika in Bombay absolvierten – darunter auch Shubho, mit dem wir an Felix’ letztem vollen Tag in Indien noch ein bisschen mit einem Mietwagen (mit Fahrer) herumgefahren sind und Go-Kart fahren waren, eine weitere Moschee und Tempel besucht haben. Für die Rundreise war das ein wirklich gelungener Abschluss, zumal es sich in Bombay wirklich gut (wenn auch teurer) leben lässt – eine schöne, recht westlich anmutende Stadt, tolles Wetter (wenn auch ziemlich schwül), gute Restaurants usw. Wer nach Indien reist und den Kulturschock zunächst etwas klein halten will (wobei sich ein wirklicher „Schock“ bei mir nie eingestellt hatte), sollte die Reise in Bombay beginnen.

Bangalore

Felix ist von Bombay aus nach Hause geflogen, ich sollte noch zwei Wochen in Indien bleiben. Von Bombay aus bin ich nach Bangaloe geflogen, wo einige meiner Freunde aus Kalkutta wohnen und/oder ein Praktikum absolvierten. Gewohnt habe ich bei Anujs Eltern, die in Bangalore leben (Bombay ist quasi der Zweitwohnsitz), die wirklich unheimlich gastfreundlich zu mir waren. In den ersten Tagen habe ich mich vor allem oft mit Kavana getroffen, deren Praktikum noch nicht begonnen hatte – und auch in Bangalore haben wir es uns dann mit Essen gehen (u.a. im Goethe-Institut, wo es ein Café mit deutschem Essen gibt!), Kaffee trinken, Eis essen usw. gut gehen lassen. Außerdem habe ich zwei mal noch Mayur und Medha, die ebenfalls in Bangalore wohnen und dort Praktikum machen, getroffen.

Nach ein paar Tagen im vom Verkehr geplanten Bangalore bin ich dann etwas aus der Stadt heraus gefahren – und zwar zur National Law School, die Uni, an der Matthias sein Auslandsemester absolviert. Die Uni hat mir wirklich super gefallen; insgesamt scheint sie noch etwas liberaler als NUJS zu sein, die Studenten waren unheimlich nett, Matthias’ Wohnheim war verhältnismäßig luxuriös und insgesamt haben wir wirklich ein paar Supertage verbracht. Der Nachteil der Uni ist, dass sie relativ weit außerhalb liegt, aber drumherum liegt immerhin eine Art Vorort Bangalores, in der man auch einiges erledigen und unternehmen kann.

Besonders interessant war an den Tagen an der Uni die Tatsache, dass gerade ein Wettbewerb zwischen Universitäten aus der ganzen Welt stattfand – eine Art Moot-Court zwischen den Juristen, allerdings war es keine simulierte Gerichtsveranstaltung, sondern simulierte Rechtsberatungssituationen. Den Wettbewerb selbst habe ich gar nicht mitbekommen, allerdings habe ich die ganzen Leute aus den verschiedenen Ländern treffen können, wobei mir vor allem die Nordiren sympathisch waren. Am ersten Abend konnten wir zu einem „Cultural Evening“ mitkommen, der zuerst indische Tänze präsentierte. Im Anschluss sollten dann die Teams aus den einzelnen Ländern etwas aus ihrer Heimat zeigen. Die Iren sangen ein Volkslied, die Schotten stellten ihre Kilts vor, ein Finne sang seine Nationalhymne, das Team aus Malaysia stellte die verschiedenen Kleidungsstile des Lands vor usw. Allein das wäre schon die Reise zu NLS wert gewesen!

Nach einem Wochenende an der Uni und insgesamt fünf Tagen in Bangalore habe ich die Uni dann wieder verlassen – für die letzte Woche in Kalkutta.

Kalkutta – Sikkim – Kalkutta - Wuppertal - Freiburg

Wieder zurück in Kalkutta bin ich wieder bei uns ins Hostel eingezogen, das in den Semesterferien zum Großteil verlassen war – interessant war es, durch die einzelnen Gänge zu gehen und die verlassenen Zimmer zu sehen. Einige aus dem fünften Jahr haben sich nicht die Mühe gemacht, aufzuräumen, so dass es teilweise so aussah, als wäre ein Krieg ausgebrochen und dass alle das Wohnheim in Eile verlassen mussten... Wie ich gehört habe, waren die Angestellten darüber aber nicht böse, immerhin durften sie an sich nehmen, was die Studenten hinterlassen haben – darunter auch so Sachen wie alte Computer, die sie außerhalb des Wohnheims nicht mehr benutzen wollten.

Ein paar Leute waren aber noch in Kalkutta, darunter Lun, Dipto, Ravi und Joydeep, die ich alle in den ersten und letzten Tagen der letzten Woche in Indien noch einmal gesehen habe. Nach ein paar Tagen in der Stadt, die mittlerweile ziemlich heiß war, mich aber trotzdem wieder vom Neuen begeistern konnte – es ist wohl doch der spannendste Ort, den ich in Indien kenne, und ist schon zu einer Art indischer Heimat geworden –, bin ich, inspiriert von der Zeit in Dharamsala, noch einmal nach Sikkim gereist.

Die Reise nach Sikkim – insgesamt rund fünf Tage – war wahrscheinlich die günstigste, die ich in Indien gemacht habe. Inklusive Hin- und Rückfahrten mit dem Zug, Essen, Hotels, Bussen und Jeeps habe ich rund 30-35 Euro bezahlt! Und dabei gar nicht so spärlich gelebt. Die Hotelzimmer in den Dörfern waren natürlich sehr einfach und hatten (bis auf das erste) keine eigenen Badezimmer, haben aber auch jeweils nur ein paar Euro gekostet. Und, wie sich aus der Tatsache, dass ich noch einmal nach Sikkim gereist bin, ableiten lässt, ist eine Reise in den kleinen Himalaya-Staat ihr Geld mehr als wert (selbst, wenn es mehr wäre).

Da ich aufgrund meines „kleinen“ Umwegs über einen Berg meinen Trek beim ersten mal nicht abschließen konnte, wollte ich dieses Mal vom Lake Kechagpuri aus weiter nach Yuksom und von dort aus nach Tashiding weiter reisen. Auf dem „Monastic Trail“ kann man zwar noch viel weiter wandern, allerdings braucht man dann irgendwann eine weitere Genehmigung, die man nur in Reisegruppen bekommt. Aber ich wollte ja gerne alleine wandern. Sehr ärgerlich war, dass das Hotel, wo ich zunächst in Pelling wohnte, mir den Shared Jeep zum Lake Kechagpuri nicht rechtzeitig besorgen konnte (entgegen anderslautender Vorhersagen), so dass ich an dem See erst am Nachmittag ankam – und dann nicht mehr wusste, ob ich es auch bis 18-18:30 Uhr (Einbruch der Dunkelheit!) nach Yuksom wandern konnte. Der erste Wandertag war also eigentlich nur stressig, da ich mich sehr beeilen musste. Geschafft hab ich’s dann auch nur, weil ein Teil der Strecke über eine Straße führt, so dass ich diesen Teil wiederum mit einem Shared Jeep absolvieren konnte. Dafür war Yuksom ein wirklich tolles Dorf – die ursprüngliche Hauptstadt Sikkims, die drei Lamas bereist hatten, die den Buddhismus in den Staat brachten. Dementsprechend liegt auch das älteste Kloster der Stadt auf dem Berg neben Yuksom – das aber gar nicht sooo alt ist; es stammt aus dem 18. Jahrhundert, der Buddhismus breitete sich halt erst spät von Tibet nach Sikkim aus. Nach einem Besuch beim Kloster konnte ich weiter Richtung Tashiding wandern, ein wirklich wunderschöner Weg durch sehr grüne Bergwälder, der allerdings durch ein paar (teilweise starke) Regenschauer geschmälert wurde – die meiste Zeit war das Wetter aber in Ordnung. Insgesamt war es aber kälter, als ich gedacht hatte; während das Thermometer in Kalkutta auf fast 40 Grad klettern konnte, konnte man in Sikkim nachts noch gefühlte 10-15 Grad erleben, tagsüber lagen die Temperaturen aber immerhin knapp über 20 Grad. Somit war es aber nur nachts wärmer als noch im Dezember, was mich doch überrascht hat. In Dharamsala, das eigentlich höher liegt, war es doch spürbar wärmer.

Nach dieser weiteren schönen Wanderung (auch hier kann ich nur auf die Galerie verweisen!) bin ich dann nach Kalkutta zurück gereist, wo ich mich nochmals mit allen Freunden dort getroffen habe – am letzten Tag nachmittags noch mit Dipto und ihrem Freund, abends mit Ravi, Lun und Joydeep, um etwas essen und trinken zu gehen. Ein wirklich schöner Abend, und insgesamt mit den letzten Tagen ein gelungener Abschied!

Am nächsten Morgen sind Ravi und Joydeep extra noch um 6 Uhr morgens aufgestanden, um mir ein Taxi zu besorgen, noch mit mir Tee zu trinken und mich zu verabschieden. Die letzte Fahrt zum Flughafen war schon etwas seltsam, weil ich mir noch einmal alles genau angesehen habe – überfüllte Straßen ohne Markierungen, dafür aber mit herumlaufenden Kühen, Leute, die auf der Straße leben, über 30 Grad am morgen bei hoher Luftfeuchtigkeit, lautes Gehupe, überall Leben und Musik ... und die Tatsache, dass mich das alles irgendwie doch begeistert. Während ich diese Zeilen schreibe, krieg ich wieder richtig Fernweh. Andererseits habe ich mir vorgestellt, wie es im Vergleich in Deutschland aussieht und wie unwirklich das auf mich wirkte. Andererseits habe ich mich aber auch sehr auf zu Hause, auf Freiburg und auf alle Freunde und natürlich meine Familie gefreut.

Am Flughafen wurde ich dann noch von einem Mitarbeiter überrascht, der mich fragte, ob ich denn von NUJS komme – was mich sehr irritiert hatte, hatte vielleicht jemand eine Nachricht für mich hinterlassen!? Aber nein, er wohnte nur zufällig gegenüber von der Uni und sprach mich dann auch gleich auf meinen Artikel im Abschieds-Jahrbuch der Uni an... Wer den alles gelesen hatte. Aber er hatte ihm gefallen! Wie dem auch sei, nach dem Einchecken (wo ich vor mir noch eine Dame beobachten konnte, die mit 50 Kilo Gepäck – und somit 30 Kilo Übergepäck – ins Flugzeug wollte und dann erschrak, dass ein Kilo Übergepäck sie 10 Euro kosten würde... Wie kann man auch mit 50 Kilo zum Flughafen fahren, ohne sich vorher zu erkundigen!?) musste ich dann noch durch den „Immigration“- Bereich. Was das überhaupt soll, konnte ich nicht ganz nachvollziehen, denn auf dem Formular teilte ich den Behörden eigentlich nur mit, was sie eh schon wussten, bzw. durch ein Einscannen meines Reisepasses hätten rausfinden können: Wer ich bin, wo ich herkomme, wie lange ich in Indien war und dass ich jetzt abreisen würde. Naja. Auf jeden Fall nahm die Warteschlange viel Zeit in Anspruch, so dass ich mich fragte, wie man das überhaupt bis zum Flugzeug hätte schaffen können, wenn man NICHT zwei Stunden vor Abflug schon am Flughafen gewesen wäre – das ist ja nur eine Empfehlung, die Schalter zum Einchecken sind ja noch viel länger auf (und die Dame mit dem Übergepäck war nach mir noch einige Zeit damit beschäftigt, nachzusehen, was sie denn aus ihrem Gepäck alles wegschmeißen könnte). Jedenfalls fragte mich der Beamte dann nach meinem Registration Papers, die sich jeder Ausländer besorgen muss, wenn sein Visum länger als 180 Tage gültig ist. Mein Visum war allerdings nur 180 Tage gültig, so dass ich mir diese Papers gar nicht besorgt hatte. Da ich aber Student war, und die wohl normalerweise länger als 180 Tage in Indien sind, ließ er sich von dieser Begründung nicht überzeugen. Nach einigen Minuten des Diskutierens (während derer ich mir schon um mein Flugzeug sorgen machte), in denen ich ihn mehrmals darauf aufmerksam machte, dass auf dem Visum selbst vermerkt ist, dass diese Regelung nur für 180 Tage plus gilt, ließ er mich dann doch noch passieren. Na, Gott sei Dank.

Die Rückflüge Kalkutta-Dubai Dubai-Düsseldorf waren super, denn beide Male hatte ich einen Fensterplatz mit einem freien Nebenplatz – so ein Glück muss man erst einmal haben... Darauf folgten ein paar schöne Tage zu Hause in Wuppertal, wo ich erstmals seit Oktober wieder zum Friseur gegangen bin – mein Experimen „wie sehe ich aus, wenn ich meine Haare einfach ein halbes Jahr wachsen lasse“ führte, wie ich finde, gar nicht mal zu SO schlimmen Auswüchsen, aber der Friseurbesuch war dann doch nötig, wie man auf den letzten Bildern wahrscheinlich sieht. Relativ lang sind die Haare aber immer noch.

Auch, wenn ich in Wuppertal bereits sehr überrascht war, wie sauber (ja, sauber!), ruhig und leer die Innenstadt eigentlich ist, stellte sich das wirklich seltsame Gefühl mit einem kleinen Rückkehr-Kulturschock erst in Freiburg ein. Freiburg, die Stadt, in der ich mich von April bis Oktober 2007 auf Indien vorbereitet hatte – und jetzt alles wieder so vorfand wie im Oktober (weitestgehend zumindest) und Leute wieder traf, mit denen ich seit Oktober nicht einmal übers Telefon kommuniziert hatte. Hatte ich denen nicht noch gerade erzählt, dass ich nach Indien reisen würde? Da ist es fast schon erschreckend, dass das Ganze jetzt schon vorbei sein sollte... Aber so ist es nun mal.

Allerdings bin ich auch froh, wieder in Freiburg zu sein, denn Einiges hat man in Indien schon vermisst (unter anderem, in der Öffentlichkeit einfach mal in Ruhe gelassen zu werden! – wobei Kalkutta das eigentlich noch einigermaßen garantiert hatte, da schien es die Leute nicht so sehr zu interessieren, dass ein Weißer sich auf ihren Straßen herumtreibt – im Gegensatz zu vielen anderen Orten), und allgemein bin ich ja bekanntlich sehr gerne in Freiburg. Trotzdem: Indien, Kalkutta, NUJS und vor allem meine Freunde dort vermisse ich jetzt schon, und insgesamt hätte das Austauschsemester wohl kaum besser sein können. Und so waren das halbe Jahr in Indien klar eines der schönsten meines Lebens.

(Anmerkung: Zurück in Deutschland bin ich schon seit dem 15.4., in Freiburg seit dem 20.4. Den Blogeintrag habe ich aber jetzt erst fertig geschrieben.)

13:59 Uhr, 10.03.2008

Die letzte Woche...

Was einige Blog-Leser vielleicht schon in der Bildergalerie entdeckt haben: Ich war am Wochenenden vom 29. Februar bis zum 3. März in Hyderabad, um dort Dominic an seiner Uni (NALSAR, eine weitere der großen National Law Schools) sowie die Stadt zu besuchen.

Hyderabad geht direkt ineinander über mit Secunderabad, Zwillingsstädte, die um einen Binnen-Stausee herum aufgebaut sind. Obwohl auf diesem Stausee eine Buddha-Statue wie eine Art kleine Freiheitsstatue steht (die Anfang der 90er gestiftet wurde, weil irgendwo in der Nähe buddhistische Ausgrabungen abrupt enden mussten, weil ein Stausee gebaut wurde, wie Dominic mir erklärt hat), ist in Hyderabad doch sehr auffällig, dass ein großer Anteil (gefühlt die Hälfte) der Bevölkerung muslimisch ist. Das äußert sich dadurch, dass viele Frauen stark verschleiert (sogar mit Burka) herumlaufen und das Stadtbild auch etwas wie eine Nah-Ost-Stadt wirkt - auf mich jedenfalls, der noch nie in arabischen Ländern war.

Wie dem auch sei, am ersten Tag - ich kam nachmittags um vier mit dem Flugzeug an - haben wir uns gleich erstmal die Buddha-Statue angesehen (mit einem kleinen Schiff hingefahren) und waren dann abends noch sehr chic in einem Restaurant in eine Hochhaus essen, von dem aus man einen sehr guten Blick über die Stadt hat - siehe auch die Fotos in meiner Galerie.

Am zweiten Tag waren wir morgens erst einmal in einem recht modernen bzw. neuen Hindu-Tempel, einer der vielen “Birla”-Tempel - die reiche indische Familie Birla hat in vielen indischen Städten einen Tempel gestiftet, in Kalkutta ist beispielsweise auch einer (sowie das Birla Planetarium). Im Anschluss haben wir das Charminar angesehen, eine Art muslimisches Tor mitten in der Stadt (das zur Erinnerung an das Ende der Pest gebaut wurde, wie mir Wikipedia gerade verraten hat), daneben ist auch gleich eine Moschee, die eine der größten Indiens sein soll. Moscheen find ich gerade von innen relativ unspektakulär, spannend ist aber wohl, wenn an bestimmten Tagen über 10.000 Gläubige dort aufkreuzen.

Am gleichen Tag sind wir dann noch nach NALSAR gefahren - ein unheimlich schöner und beeindruckender Campus, der allerdings gegenüber NUJS den Nachteil hat, dass er sehr weit außerhalb liegt. An dem Wochenende fand das jährliche “Carpe Diem”-Festival statt, dass wahrscheinlich ein bisschen mit unserem Invicta/Outlawed-Fest vergleichbar ist. Jedenfalls gab es auch Sport zu sehen - spannend fand ich ein Spiel, dass ich verfolgt habe: Kapadi (glaube ich), eine Art Mischung aus Rugby und Völkerball, die, je nachdem wer spielt, auch recht brutal werden kann. Abends wurden dann noch einige Tänze aufgeführt, die mir auch sehr gut gefallen haben - wenn ich auch nicht weiß, welches Jahr da jetzt gewonnen hatte... Indischer Tanz ist schon etwas ganz anderes als bei uns, soweit ich das beurteilen kann, aber vor allem zum Andenken an die Zeit muss ich mich vor meiner Abreise auf jeden Fall noch mit aktueller indischer Musik eindecken.

Abends sind Dominic und ich (andere können aufgrund der Regeln in NALSAR nicht so einfach über Nacht vom Campus weg...) dann noch in eine Bar gegangen, wo wir gemütlich ein Bier trinken wollten. Die Bar war auch richtig chic, allerdings haben die Inder manchmal ihre Probleme, Bars bzw. Kneipen und Discos auseinander zu halten. Der Laden sah aus wie eine Kneipe, war auch sehr chic aufgemacht mit Kellnern mit Fliegen und Kronleuchtern. Es dröhnte aber derart laut Tekkno-Musik, dass man sich gar nicht unterhalten konnte. Was das für ein Geschäftsmodell ist, weiß ich auch nicht, denn eine Tanzfläche gab es nicht, aber den lärmresistenten Indern scheint es zu gefallen...

Am dritten und dann auch schon letzten Tag in Hyderabad haben wir uns noch das Fort der Stadt angesehen (“Fort Golkonda”), die Residenz der früheren muslimischen Herrscher der Stadt. Teilweise ist das schon vergleichbar mit einer europäischen Burg bzw. Burgruine (damals sah’s wahrscheinlich schon ziemlich anders aus, zumindest tat es das in dem Bollywood-Film, den ich letztens im Kino gesehen habe - Jodhaa Akbar, sehr schön anzusehen, aber die Handlung soll ziemlich dämlich sein... ist wohl eher positiv, wenn man nichts versteht), der größte Unterschied ist die schiere Masse. Die äußeren Mauern waren so weitläufig, dass innen drin schon eine kleine Stadt Platz finden konnte.

Im Anschluss haben wir uns dann noch eine Reihe von Grabmälern/Mausoleen angesehen, die ganz in der Nähe des Forts liegen (wenn auch ein Auto-Rickschah-Fahrer meinte, uns irgendwie daran vorbei zu fahren und mehr Geld kassieren zu können, aber Gott sei Dank haben wir aufgepasst) und, wie ich finde, am besten als “mehere Mini-Taj-Mahals” nebeinander beschrieben werden können. Das Taj Mahal habe ich zwar (noch!) nicht gesehen, aber so wirkte es auf mich..

Insgesamt hat mir Hyderabad auf jeden Fall sehr gut gefallen, es ist immer wieder schön, auch ganz andere Städte zu sehen. Besonders hervorheben will ich aber auch noch, dass südindisches Essen toll ist! ;)

Als ich zurückkam, haben wir am Montag erstmal den Geburtstag der Kommilitonin Medha gefeiert, aber insgesamt war an der Uni nicht so viel los, denn alle hatten sich um eines zu kümmern: Klausuren. Auch ich musste eine Klausur in Public International Law schreiben (meine einzige), hab in den Tagen aber außerdem noch ein Zimmer im Hostel ausfindig machen können, in dem ab Mittwoch (also nur zwei Tage nach meiner Abreise aus Hyderabad... ;)) Dominic und ab dieser Woche Felix wohnen könnten. Nach etwas Hin und Her war da aber alles geregelt.

Dominic kam Mittwoch spät abends an und blieb dann bis Sonntagmittag, und ich glaube, Kalkutta hat ihm sehr gut gefallen. Am Donnerstag haben wir uns erst einmal die Innenstadt noch einmal angesehen. Zum ersten Mal war ich da mal länger ohne jemanden unterwegs, der sich hier besser auskennt - hab zwar alles gefunden, bin teilweise aber auch erst einmal in falsche Richtungen gerannt. Nach all den Monaten glaube ich aber, dass ich mich jetzt selbst auch ein bisschen in der Tourismusgegend dort auskenne...

Am Freitag war Dominic dann noch mit Paul unterwegs, denn ich wollte für die Klausur schon noch etwas lernen und hatte außerdem vom Donnerstag erst einmal einen Sonnenstich. Denn es ist mittlerweile richtig warm und vor allem schwül hier geworden - vor allem am Sonntag fand ich’s dann sehr anstrengend, noch draußen zu sein - wir waren da nur kurz auf einer kleinen Buchmesse am Stadion hier in der Nähe der Uni, am Samstag hatten Paul und Dominic sich das Einkaufszentrum “City Centre” angesehen, während ich die Klausur (die ganz ordentlich lief) schrieb, danach sind wir noch ein bisschen durch die Kalkutterer Altstadt gelaufen und erstmals mit der etwas heruntergekommenen und sehr langsamen (und deswegen auch nicht sonderlich vollen) Straßenbahn gefahren. Insgesamt ging’s mir auch schon wieder gut, so dass wir abends Dominic auch noch eine Disco zeigen konnten.

Morgen kommt jetzt auf jeden Fall Felix zu Besuch, so dass ich mir Kalkutta mit ihm ein letztes Mal noch etwas genauer ansehen kann. Am Freitag treten wir dann nämlich unsere vierwöchige Rundreise an, und ich werde das College verlassen - so dass der Hauptteil des Indenaufenthaltes dann vorüber ist. Ich habe gestern und heute schon mein Zimmer teilweise aufgelöst (was sich hier alles schon angesammelt hatte...), und das lief nicht ganz ohne Wehmut... Aber einige meiner Freunde hier werde ich auch auf der Reise wiedersehen!

Was den Blog betrifft, weiß ich nicht, inwiefern ich unterwegs neue Einträge schreiben kann. Möglicherweise wird man an dieser Stelle also bis Mitte April nicht mehr von mir hören!

Diskussion

Ein Kommentar

22:02 Uhr, 26.02.2008

Neues im Februar

So, nachdem ich jetzt einige Zeit mit dem Bloggen etwas faul war, hab ich jetzt das Problem, möglichst viel in einen Eintrag zu packen, ohne dass es zu lang wird... Also, dann wollen wir mal. Im Februar war viel los, deswegen unterteile ich diesen Eintrag ein bisschen.

Invicta und Outlawed - das Sport- und Musikfest

Am zweiten Februarwochenende gab es gleich zwei Events an unserer Uni (die normalerweise an zwei Wochenenden stattfinden, dieses Jahr hat es aber an Sponsorengeldern dafür gefehlt): Einmal “Invicta”, ein Sportfest, an dem Unis aus ganz Indien teilnehmen, und “Outlawed”, ein allgemeines Fest der Uni mit diversen Spielen und anderen Veranstaltungen sowie vor allem einem mehrtägigen Konzert.

Besonders schön daran war, dass ich zu diesem Anlass Besuch bekommen habe: Qaiss, mein Kommilitone aus Freiburg, den es hier an eine andere National Law School in Jodhpur verschlagen hat, ist zusammen mit der Fußballmannschaft seiner Uni angereist, um gegen die anderen Colleges anzutreten. Mit Qaiss als meines Erachtens klar besten Spieler haben sie es immerhin auch in die zweite Runde geschafft (die gleichzeitig Halbfinale war), unser Team hat das nicht hinbekommen. Leider war Qaiss an dem Wochenende krank und sonst mit Fußball beschäftigt, so dass er nicht viel von der Stadt sehen konnte. Am Samstagabend haben wir es immerhin in eine Disco hier geschafft (nachdem die Jodhpur-Leute alles andere als Entscheidungsfreudigkeit demonstriert haben... was für ein Akt!), außerdem kommt er im März auch noch zusammen mit Matthias aus Bangalore, der wiederum von unserem Ex-Kommilitonen Christian besucht wird, wieder.

Ansonsten hat sich unsere Uni in dem Sportfest gar nicht schlecht geschlagen. Vor allem unsere Damen haben einiges gewonnen. Ich selbst habe immer mit angefreuert (wobei sich beschwert wurde, dass ich das nicht lautstark genug gemacht habe...) und im großen Stadion hier um die Ecke immerhin am 3000-Meter-Lauf teilgenommen. Den hab ich aber nur im Mittelfeld beendet. Aber dabeisein ist ja alles ;)

Außerdem habe ich einen Sonnenbrand bekommen, den die dunkelhäutigen Inder natürlich kollosal lustig fanden. Nachdem sie irgendwann festgestellt haben, dass ich “rosa” (pink) bin und mir Smriti schon einen Becher mit einem Schweinchen drauf geschenkt hat, wurde mir dann gesagt, dass ich dank der Sonne eher wie ein Schinken aussehen würde. Aber immerhin bekommt meine Chamäleon-Haut fast genauso viel Aufmerksamkeit wie Pauls Glatze!

Das Musikfest war wiederum sehr schön. Es gab einen “Battle of the Bands”, den ich aber größtenteils nicht mitbekommen habe. Dafür spielten abends speziell eingeladene Bands, die sich von Abend zu Abend gesteigert haben. Auch die Band eines Kommilitonen selbst war vertreten. Fotos gibt es - ebenso wie vom Sportfest - in dem Galerieordner “Viel los im Februar”.

Saraswati Puja

Auch in dem Ordner verteten ist Saraswati Puja - das Fest der hinduistischen Göttin des Lernens. An dem Feiertag haben sich die Inder alle sehr chic angezogen und ich habe mich auch mal wieder in meine “Kurta” geschmissen - das lange, dünne indische Hemd, das ich von Smriti und Shubho zu meinem Geburtstag bekommen hatte. Für das Fest wurde ein Götzenbild der Göttin aufgestellt, vor dem die (gläubigeren) Kommilitonen meditiert haben und ihm einige Gaben gegeben haben - das heißt, Essen, vor allem Reis und Obst. Zum Mittagessen gab es dann ein Festtagsessen, wobei ich mir die Namen der Gerichte immer nur selten merken kann. Auf jeden Fall hab ich mal alles ganz indisch mit den Fingern gegessen, was ich mittlerweile auch ganz gut kann - zwar nicht immer mache, aber irgendwie hat das was, wie ich finde!

Achja, an dem Tag habe ich auch erfahren, was eine Tätanus-Impfung in Indien kostet. Eine Kommilitonin hatte sich am Fuß verletzt und musste sich ne Spritze abholen. Ganze 40 Rupien - weniger als ein Euro - für Impfstoff plus Arztkosten. Das lass ich jetzt einfach mal unkommentiert so stehen...

Zwei Tage nach dem eigentlichen Fest wurde das Götzenbild dann feierlich zu Wasser gelassen. Alle männlichen Studenten, die wollen (für Frauen soll das, so die Erklärung, zu wild sein...) schwingen sich zusammen mit dem Götzenbild (bzw. “Idol”) auf zwei Lastwagen, bzw. deren Ladeflächen, um dann durch die Stadt zusammen mit anderen Gläubigen (bzw. denen, die einfach feiern wollen) an den Ganges zu fahren und das Götzenbild dort zu Wasser zu lassen. Das war schon eine sehr lustige Erfahrung, zumal ich inmitten dieser Masse als einziger Weißer wieder sehr aufgefallen bin ;)

Kurzfilmfest

Nicht viel zu sagen gibt es zu dem “Kurzfilmfest” der letzten Woche, das aber trotzdem erwähnenswert ist, weil ich es sehr schön finde, wie auch so eine kleine Uni immer wieder schöne Veranstaltungen organisiert: Anuj und einige andere haben eine gute Soundanlage, Videobeamer und eine Leinwand organisiert und abends im Uni-Innenhof einige europäische Kurzfilme, darunter auch ein paar Deutsche gezeigt. Teilweise sehr skurrile, teilweise auch sehr lustige Sachen, aber insgesamt sehr unterhaltsam. Ich werd einen der Jungs nochmal nach ner Liste der Filme fragen, damit ich mir sie in Deutschland vielleicht nochmal ansehen kann.

Noch eine indische Hochzeit

Am letzten Wochenende hatte ich dann noch einmal die Ehre, eine indische Hochzeit zu sehen. Nachdem ich dank Shubho ja schon eine Bengali-Hochzeit erleben durfte, hat mich dieses Mal Kavana aus Bangalore eingeladen, zur Hochzeit ihrer Schwester zu reisen. Das war dann eine Mischung aus einer südindischen und einer Bihari-Hochzeit - der Bräutigam stammt aus Bihar. Dummerweise bin ich so just an dem Wochenende nach Bangalore gereist, an dem Matthias gerade für ein paar Tage in Bombay war, allerdings kommt er ja im März und im April werd ich dann selbst nochmal in Bangalore sein.

Nun, ich bin Freitag”morgens” (um 4 Uhr) in Kalkutta los - ohne geschlafen zu haben, ich dachte, das sei vielleicht letztendlich besser, als nach drei, vier Stunden schon wieder aufzustehen. Hab den Tag letztendlich gut überstanden, aber ich glaube, etwas Schlaf vorher wäre doch gut gewesen. Nunja, auch um vier Uhr fahren noch Taxen auf Kalkuttas Straßen rum (musste also keins vorher reservieren), nur bekam ich mit 220 Rupien einen zu hohen Preis - man kann wohl für 150 Rupien zum Flughafen kommen, zuerst schien es so, als wollte der Fahrer mich mit Taxameter dahin kutschieren, dann meinte er aber, NACHDEM ich eingestiegen war, dass es 280 Rupien kosten würde. Hab dann mit “150!” versucht, ihn runterzuhandeln, meinte dann kurz “okay, then stop”, das hat ihn aber nicht interessiert und er bot mir 220 Rupien an - war mir dann zu blöd, mich um die Zeit noch zu streiten, also hab ich’s sein lassen.

Fliegen ist in Indien, wie gesagt, genauso angenehm wie in Europa, und von daher war der Flug mit “SpiceJet” auch gar keine schlechte Sache. Zweieinhalb Stunden dauert’s nach Bangalore, und wenigstens diese Zeit habe ich dann auch schlafend verbracht. In Bangalore selbst hab ich mir dann ein “Prepaid Taxi” besorgt (ist zwar etwas teurer, dafür aber ein Fixpreis) und bin damit dann zu Kavanas Haus gefahren - wobei der Taxifahrer die Straßen gar nicht kannte und von Kavana, ihrer Schwester und ihrem Vater telefonisch instruktiert werden musste.

Kavanas Haus war schon gut mit Hochzeitsgästen gefüllt, gerade wurden einige Fotos gemacht. Von mir müdem und ungeduschten weißen Besucher wurde auch ein Gruppenfoto gemacht, das habe ich aber selbst noch nicht bekommen. Ich bin - wie immer in Indien - mehr als freundlich empfangen wollen, alle waren wieder an mir interessiert und wollten wissen, woher ich genau komme, was ich in Indien genau mache, wie mir Indien gefällt usw. Manchmal können diese wiederkehrenden Fragen schon etwas anstrengend sein, aber gleichzeitig fühlt man sich überall gleich wohl, wenn man mit Leuten sofort ins Gespräch kommt.

Da ich es geschafft hatte, meine Hochzeitskleidung - ganz so chic muss man auf indischen Hochzeiten nicht herumlaufen, aber wenigstens eine ordentliche Hose und ein Hemd wollte ich schon anziehen, wo ich hier schon keine ordentlichen Schuhe habe - zwar säuberlich in eine Tüte einzupacken, dann aber eine andere Tüte mitzunehmen, musste ich mir vor Ort erstmal noch Hose und Hemd besorgen. Das war aber kein Problem, weil Kavana und ihre Cousinen (von denen eine in Cupertino, Kalifornien wohnt - die heilige Apple-Stadt!!!) auch noch ein paar Sachen besorgen mussten. Für rund 30 Euro konnte ich mich dann mit Hose, Hemd (nix Billiges, Marke “Arrow”!) und Gürtel einkleiden. Die Hose wurde auf meine genaue Beinlänge zurechtgeschnitten - im Preis inbegriffen.

Gewohnt hab ich an dem Wochenende an dem Ort, an dem auch die Hochzeit ist - ein großer Tempel-Komplex für den Gott Krishna, wo es auch eine Art Gästehaus gibt. Ein Zimmer für mich alleine!

Die Hochzeit hat damit angefangen, dass der Bräutigam vom Ort der Hochzeit erst einmal mit seiner Familie zusammen ausgezogen ist, um dann mit denen zusammen mit viel Musik an den Ort der Hochzeit zurückzukehren. Das ist ein nordindischer Brauch, also ein Bihari-Teil der Hochzeit. Traditionell hat er auf einem weißen Pferd zu reiten, in Städten ersetzt man dieses aber heute mit einem weißen Auto. Seine Familie tanzt dann zu der Musik vor ihm her - ich war zusammen mit zwei Cousins von Kavana mit vor Ort, hab zwar (entgegen der Forderungen der Verwandten) nicht mitgetanzt, aber trotzdem an dem Zug selbst teilgenommen, auch wenn ich eigentlich Gast der Braut war. Aber die Fotos und Videos wollte ich dann doch bekommen! Diesen Teil gab es bei der Bengali-Hochzeit schonmal nicht. Am Ort der Hochzeit angekommen wird der Bräutigam dann von der Familie der Braut begrüßt, bevor er dann in das Zimmer der Trauung einzieht.

Wie auf den Bildern in meinem Album unschwer zu erkennen ist, hat es sich bei dieser Hochzeit um eine wesentlich aufwändigere Feier gehandelt als meine erste indische Hochzeit. Die Lokalität der Bengali-Hochzeit war das Veranstaltungszimmer eines Hotels (glaube ich), hier war es der Saal eines riesigen Tempels, in dem alles - Inneneinrichtung, Möbelierung usw. - wesentlich chicer war. Die Zeremonie selbst war vom Grundablauf her aber ähnlich: Zuerst ist nur der Bräutigam zusammen mit dem Priester anwesend, die Braut kommt dann später dazu. In diesem Fall wurde sie aber nicht hereingetragen, sondern kam eigenständig herein. Das Hereintragen ist ein rein bengalischer Brauch.

Nachdem die Braut (sie heißt übrigens Kaavya, der Bräutigam Amaresh) dazu gekommen war, ließen sie sich erst einmal von allen Gästen begrüßen und nahmen Geschenke entgegen. Da hat sich dann gleich erstmal eine riesige Schlange gebildet - es waren immerhin gut 350 Leute da. Nach der Übergabe und dem Abendessen ist dann ein nicht unbeachtlicher Teil der Gäste auch bald schon wieder gegangen! Offenbar hatten viele nicht so viel Zeit, oder waren es nicht gewöhnt, so spät zu Hochzeiten zu gehen, denn in Karnataka (der Staat, in dem Bangalore liegt) finden Hochzeiten eher am späten Morgen bzw. frühen Nachmittag statt. Fand ich etwas schade, aber einige sind ja doch geblieben.

Das Essen war übrigens hervorragend - an dem ersten Abend gab es nordindisches Essen, am Tag danach (da war dann noch die “Wedding Reception”) gab es wieder Südindisches, wie auch schon beim Mittagessen bei Kavana und Kaavya zu Hause am Hochzeitstag selbst serviert auf Bananenbaumblättern, was mir noch besser gefallen hat. Auch wenn ich am Hochzeitstag mehr gegessen habe, am Tag danach war dann gar nicht mehr so viel Platz... Aber an solchen Anlässen darf man sich ja auch mal was gönnen!!

Im Anschluss verlief die Hochzeit ähnlich wie die bengalische, und die Bilder sind da wahrscheinlich besser als eine Beschreibung. Einige Unterschiede gab es, so war zum Beispiel der Gang ums Feuer wesentlich kürzer - dafür aber wesentlich komplizierter, denn die Braut ging vorm Bräutigam, der von hinten mit ihr zusammen ein paar heilige Gaben festhalten musste, während hinter der Braut wiederum der Cousin herlief, der auch Reis (glaube ich) gestreut hat und gleichzeitig aufpassen musste, dass der Bihari-Hochzeitshut des Bräutigams (der noch etwas lustiger als die bengalische weiße Mütze aussah) nicht abfällt. Auch, wenn der Feuerlauf eigentlich sehr wichtig und feierlich ist, haben dann erstmal alle gelacht - inklusive bzw. gerade die engsten Verwandten des Paares, und auch das Paar selbst!

Da die beiden die Hochzeitszeremonie selbst durch ein Abendessen und die Geschenke-Entgegennahme unterbrochen hatten, war die Hochzeit erst sehr spät zu Ende - gegen 2 Uhr morgens. Ich selbst war dann mittlerweile doch recht müde und bin dann, nachdem ich mich mit ein paar Gästen noch etwas unterhalten habe, quasi in mein Bett gefallen.

Am nächsten Tag gab es dann wie gesagt noch einen Empfang für weitere Gäste mit Mittagessen, am Nachmittag hab ich mich dann noch mit Kavana und ihren Cousinen gut bei ihnen zu Hause unterhalten - unter anderem mit einem spontan-lustigen Handtücher-gegen-den-Kopf-werfen-Spiel und einem Besuch in einem indischen Starbucks-Verschnitt. Kavana musste am nächsten Morgen schon früh abreisen, mein Flug zurück nach Kalkutta ging erst später. Also konnte ich mir morgens noch den Tempel selbst ansehen - unheimlich pompös und beeindruckend, alles blitzblank sauber. Da der Tempel offenbar oft sehr viele Besucher kommt, erinnerten Teile an Disneyland - damit sich alle ordentlich anstellen, waren Reihen mit Metallgeländern abgetrennt. Allerdings war an dem Tag weniger los, so dass ich relativ ruhig und ohne Warten durch den Tempel gehen konnte. Fotos konnte ich keine machen, was sehr schade ist, und vor allem Videos wären schön gewesen: Im Haupttempel selbst fand gerade eine Art “Gottesdienst” statt, wo gut 100 Gläubige sehr eindrucksvoll getanzt und “Hare Krishna” gesungen haben. Außerdem gab es im Tempel selbst noch gutes, feierliches Essen, das ich dann als Frühstück nutzen konnte.

Mittags bin ich dann nochmal zu Kavanas Eltern, die mich noch zum Mittagessen eingeladen haben, das Kavanas Onkel gekocht hat. Davor und danach habe ich mich noch nett mit ihrer Familie über das Unileben in Deutschland und Indien, Indien selbst (vor allem meine bevorstehende Reise) und Cricket (das doch nicht ganz so langweilig ist, wie es zuerst wirkt - es lief gerade ein Spiel) unterhalten. Dann habe ich noch als Andenken ein kleines Geschenk, eine kleine Elefantenstatue bekommen. Dabei hätte ich eigentlich eher meinen Gastgebern was schenken können, wie ich finde... Wie dem auch sei, so ging ein tolles Wochenende zu Ende, das dann noch durch einen guten Rückflug abgerundet wurde. Und für die Rückfahrt konnte ich den Taxifahrer auf sehr akzeptable 180 Rupien herunterhandeln. Kaavya und Amaresh, das neue Brautpaar, hab ich dann am Montag noch zum Mittagessen in Kalkutta wiedergetroffen - da sie Amareshs Eltern zu einem weiteren Empfang in Bihar besuchen, sind sie noch in Kalkutta vorbeigekommen.

Das war’s für dieses Mal. Die Uni neigt sich langsam dem Ende zu, am 8. März werd ich dann noch eine Klausur schreiben, bevor alles vorbei ist. Dieses Wochenende besuche ich Dominic an seiner Uni in Hyderabad, am Wochenende danach besucht er mich dann hier in Kalkutta. Und dann kommen am 11. März schon Matthias, Christian, Qaiss und Felix, bevor ich die Stadt dann am 14. März verlassen. Leicht wird mir das nicht fallen - nach einem gewissen Heimweh zur Weihnachtszeit rum bin ich die letzten Wochen schon sehr traurig, dass zumindest die Zeit in Kalkutta (dann steht ja noch die einmonatige Rundreise an) so bald schon vorbei ist. Aber es wird ja sicher nicht mein letzter Besuch in Indien sein... Und einige Freunde besuche ich ja auch noch in Delhi, Bombay und Bangalore (wo die meisten ihre Praktika absolvieren)!

13:06 Uhr, 06.02.2008

Die Bengali-Hochzeit

So, es ist mal wieder Zeit für einen neuen Blog-Eintrag! Das spannendste, was in letzter Zeit passiert ist, ist schon etwas über eine Woche her: Ich war mit Shubho auf der Hochzeit eines entfernten Cousins von ihm (soweit ich das noch zusammen bekomme: Es ist wohl der Sohn des Cousins seiner Mutter).

Es war auf jeden Fall ein Erlebnis - und etwas ganz anderes als das, was man in Deutschland unter einer Hochzeit versteht. Die Trennung zwischen Standesamt und Kirche gibt es hier gar nicht, und auch finden Hochzeiten nicht in Gotteshäusern (d.h., Tempeln) statt. Vielmehr kommt (im Falle einer Hindu-Hochzeit - bei christlichen oder islamischen Hochzeiten sieht das natürlich wieder ganz anders aus) ein Brahmanen-Priester (ein Priester aus der entpsrechenden Kaste) zu der Hochzeitgestellschaft, die sich dann irgendwo in einem Veranstaltungssaal eines Hotels o.ä. einfindet. Extrem große Hochzeiten mieten gerne mal nen ganzen Strand an, kleine Hochzeiten werde wahrscheinlich in Slums o.ä. stattfinden, meine bengalische Hochzeit war in einer Kleinstadt außerhalb Kalkuttas im Mittelklasse-Rahmen. Die Zahl der Gäste war mit 300 wohl sehr gering.

Die Bilder in meiner Galerie sind eigentlich alle selbsterklärend bzw. hab ich das Wichtigste schon als Kommentar dazu angegeben. Das Interessanteste war sowieso die Stimmung, die sich natürlich schwer beschreiben lässt. Also, das Brautpaar stand gar nicht so im Mittelpunkt, vielmehr war es ein großes Familienevent. Organisiert wird das Ganze natürlich von den Eltern der Braut, die natürlich alle herzlich begrüßen, ob sie sie nun kennen oder nicht. Trotzdem sind die Familien erstmal noch recht klar getrennt, die Gäste des Bräutigams kriegen bspw. alle eine Rose als Erkennungsmerkmal.

Die Hochzeitsprozession selbst fängt damit an, dass Bräutigam und Braut in verschiedenen Zimmern sitzen und zunächst erst einmal den Segen des Priesters erhalten, der Bräutigam auch noch den der Schwiegereltern. Dann kommt der Bräutigam in den Hauptsaal und muss dort allerlei andere religiöse Rituale absolvieren - bei denen er selbst einige Male nachfragen musste, was er denn nun zu tun hat. Denn das Lustige ist, dass die Gäste teilweise selbst gar nicht wissen, was da abläuft, weil sich nicht etwa jeder die Prozedur ansieht. Was der Priester sagt, hört man überhaupt nicht, weil sich alle unterhalten, teilweise schon beim Essen sitzen, zwischendurch auch einmal herausgehen usw. Und selbst, wenn er laut redete, würde ihn keiner verstehen, weil die Prozedur wohl hauptsächlich auf Sanskrit stattfindet - eine tote Sprache; man muss sich das so vorstellen, als würde bei uns nur auf Latein geheiratet werden.

Spannend wurd’s dann wieder, als die Braut gebracht wurde. Und zwar wortwörtlich gebracht: Bei bengalischen Hochzeiten wird die Braut von ihrer Familie auf einem Holzbrett hereingetragen! Wobei bei etwas fülligeren Bräuten wohl gerne auch von diesem Brauch abgesehen wird. Danach ging die langwierige Hochzeitsprozedur dann mit beiden Beteiligten weiter, aber auch hier konnte man sich zwischendurch etwas zu Essen holen - zeitweise werden wirklich nur Gebete gesprochen. Am Ende läuft das Paar dann noch sieben mal (unterbrochen von Gebeten) um ein Feuer, und dann werden die Gewänder aneinander geknotet. Danach durften die beiden dann endlich auch was Essen.

Die Hochzeitsfeier selbst geht dann aber noch weiter: Das Brautpaar geht dann ins Haus der Eltern, am nächsten Morgen wird die Braut noch feierlich mit roter Farbe auf der Stirn als verheiratet “markiert” - und berührt die Füße des Bräutigams. Im Anschluss geht es dann weiter zum Haus der Eltern des Bräutigams, wo dann weiter gefeiert wird. Traditionell zieht das Brautpaar ja bei den Eltern des Bräutigams ein, wobei das bei diesem Paar nicht der Fall ist.

Überhaupt ist natürlich auch in Indien nicht alles noch überall so traditionell, wie es mal war. Laut Shubho ist der Teil seiner Familie zwar noch recht konservativ, trotzdem war die Hochzeit nicht arrangiert - was aber durchaus noch in einem großen Teil der Bevölkerung der Fall ist! Der Bräutigam ist Software Engineer (so wie die meisten studierten Inder heutzutage, wie’s scheint), ebenso wie seine Frau, und sie haben sich auf der Arbeit kennen gelernt. Was allerdings nicht akzeptabel gewesen wäre, wäre ein Zusammenziehen vor der Hochzeit - zumindest nicht offiziell.

Jetzt macht sich Shubho schon etwas Sorgen um seine Zukunft. Nur noch einer seiner Cousins ist im Moment unverheiratet. Als nächstes wird man dann versuchen, ihn zu verkuppeln...

Die Hochzeit war auf jeden Fall einen Ausflug wert - auch wenn wir mit einem etwas siffigen Reisebus angereist sind. So eine kulturelle Erfahrung hat man in der Regel aber wirklich nur, wenn man in dem Land auch eine Zeit lang lebt und Leute kennen lernt.

Wobei wir bei dem Thema wären, dass es mir hier in letzter Zeit wirklich super geht. Also, die ganze Zeit über fühle ich mich ja schon wohl, aber so um Weihnachten herum hatte ich schon etwas Heimweh. Auch jetzt freu ich mich natürlich etwas auf Deutschland und gewisse europäische Annehmlichkeiten, insgesamt überwiegt aber in letzter Zeit eher die Wehmut, dass es bald schon vorbei ist: Februar ist bald halb herum, die Vorlesungen sind in der letzten Februarwoche dann schon vorbei und im März kommt dann ja schon mein Bruder Felix zu Besuch, um etwas herumzureisen, bis Mitte April. Wie ich da alles unterkriege, muss ich noch sehen...

Morgen kommt erstmal Qaiss aus Jodhpur zu Besuch - einer der vier Freiburger “Pioniere” in Indien. Am Wochenende findet hier ein Festival statt, unter anderem mit einem Fußballturnier, an dem Qaiss’ Uni aus Jodhpur teilnimmt! Am ersten Märzwochenende werd ich wiederum Dominic (der zwei Semester über uns in Freiburg war) in Hyderabad besuchen und mir dort einmal die Uni ansehen. Wie’s dann genau weitergeht, müssen wir noch gucken, wahrscheinlich kommt Matthias aus Bangalore Anfang März, dann kommt Felix, dann reisen wir etwas durch Nordindien und nachdem Felix nach Deutschland zurückfliegt, werd ich noch zwei Wochen in Indien haben, in denen ich dann die Kommilitonen besuche. Da Indien aber nun nicht sooo klein ist, muss das halt alles genau abgepasst sein. Aber über die genaueren Pläne kann ich ja später noch an dieser Stelle informieren!

Achja: Paul hat sich heute eine Glatze schneiden lassen. Nach den langen Haaren ist das jetzt natürlich auf dem Campus Gesprächsthema Nummer eins. Jetzt muss ich mir auch was einfallen lassen... ;)

10:24 Uhr, 24.01.2008

Bombay

Am Wochenende habe ich meinen Kommilitonen Anuj in Bombay besucht. Anujs Familie wohnt eigentlich in Bangalore, sie haben aber auch eine Wohnung in Bombay, wo Anujs Großeltern wohnen. Also hat er mich gefragt, ob ich mit will - und da sage ich natürlich nicht nein! Einerseits ist es immer spannend, neue Leute hier in Indien kennen zu lernen (und vor allem mal ein bisschen einen Einblick ins Familienleben zu bekommen), andererseits war es auch mal wieder Zeit für einen Ausflug.

Gereist sind wir per Flugzeug, mit der Billig-Airline IndiGo. Das nimmt sich wirklich überhaupt nichts mit Flügen innerhalb Europas; die Flugzeuge sind modern, die Sitze für 1,80-plus-Menschen recht eng, der Service gut, aber es kostet was. Ähnlich wie bei easyJet, Ryanair und Konsorten eben.

Eine lustige Geschichte ist aber, wie mein Flugticket aussah. Anuj hat die Tickets besorgt, wusste aber nicht, wie ich mit Nachnamen heiße. Also schrieb er einfach “Florian W”, W für Wuppertal. Die Tickets wurden also für Mr. W ausgestellt. Ich war mir sicher, dass es da zumindest Diskussionen geben würde - aber Anuj versicherte mir, dass das allen egal sein würde, “this is India!”. Und in der Tat hat zunächst einmal überhaupt niemand nach meinem Ausweis gefragt, und als sie das beim Rückflug dann doch taten, war ihnen wohl egal, dass die Nachnamen nicht übereinstimmen. Finde ich etwas seltsam; warum muss man dann beim Flugticket überhaupt den Namen angeben?

Auch die Sicherheitsvorkehrungen am Flughafen fand ich etwas undurchsichtig. Im Gegensatz zu Europa muss man sich auch anstellen, um sein Gepäck, das man einchecken will, zu durchleuchten. Damit geht man dann zum Schalter und gibt es da auf - wo es wahrscheinlich nochmal durchleuchtet wird. Geht man dann zum Gate, wird das Handgepäck durchleuchtet, in dem man aber in Indien anscheinend immer noch (unbegrenzt) Flüssigkeiten mit sich tragen darf. Und dann geht man durch einen Metalldetektor, ohne jedoch dazu aufgefordert zu werden, metallene Gegenstände auf das Band gelegt zu haben. Dementsprechend hat jeder noch Armbanduhr, Handy, Portemonnaie, etc. dabei und die Metalldetektoren gehen bei jeder einzelnen Person (Männer und Frauen übrigens getrennt, denn danach wird man ja nochmal einzeln begutachtet) los. Also wird jede einzelne Person auch nochmal mit Hand-Detektoren untersucht. Die schlagen dann bei Gürtel und allen Gegenständen in den Hosentaschen aus - wobei aber niemand überprüft, was denn nun in den Hosentaschen ist. Überhaupt gibt es in Indien überall Metalldetektoren zum Durchlaufen; an Bahnhöfen, U-Bahn-Stationen, Kinos usw. Da laufen die Leute auch fröhlich durch, die Dinger piepen bei jedem einzelnen Besucher und keinen interessiert’s.

Deswegen glaube ich mittlerweile, dass das meiste, was an Sicherheitschecks an Flughäfen durchgeführt wird - und das nicht nur in Indien - hauptsächlich Show ist. Man erinnere sich nur daran, wie nach dem 11. September 01 auf USA-Flügen das Gepäck komplett vor den Augen der Passagieren durchwühlt wurde. Wozu eigentlich? Es wird doch eh durchleuchtet und kann “im Hintergrund” nochmal geöffnet werden. Wahrscheinlich wollte man das der Öffentlichkeit einfach nur zeigen. Wenn ich über sowas nachdenke, rege ich mich noch mehr über entsprechende Sicherheitsgesetze auf - wenn da, wo Sicherheitsvorkehrungen wirklich sinnvoll sind, so Seltsames praktiziert wird.

Aber zurück zu Bombay. Die Stadt ist wirklich toll; unbedingt auch meine Galerie ansehen! Sie ist in vielerlei Hinsicht ziemlich westlich: Die ganzen Wolkenkratzer erinnern schon etwas an New York, die “Altstadt” im Süden, die ursprünglich ein Fort auf mehrere Inseln verteilt war (danach gab es viel Landgewinnung, so dass Bombays Süden eine Halbinsel geworen ist), wurde von den Engländern errichtet und sieht dementsprechend sehr europäisch aus. Auch die Medien, Werbeanzeigen, die Leute auf den Straßen, die Autos usw. wirken viel westlicher. Andererseits ist es natürlich immer noch eine indische Stadt; um den Flughafen herum gibt es Slums (insgesamt offenbar die größte Slum-Fläche Asiens), viele Menschen schlafen auf den Straßen, und die Stadt ist vor allem zu Stoßzeiten unheimlich überfüllt. Gerade bei letzterem bin ich gespannt, wie sich das noch entwickeln soll, denn Bombay wächst weiter.

Anujs Familie fand ich unheimlich nett; am Donnerstag kamen wir zusammen mit seiner Schwester an, am Freitag kam sein Vater, am Sonntag seine Mutter dazu. Das Wochenende begingen wir relativ ruhig, zunächst hatte ich schon darüber nachgedacht, wie ich am besten möglichst viele Sehenswürdigkeiten sehen könnte, aber letztendlich hat es mir doch besser gefallen, mir ein bisschen die Stadt anzusehen, sich aber nicht zu viel Stress zu machen und so vielleicht weniger zu sehen, das aber mehr zu genießen.

Am Freitagmorgen sind wir dann erstmal schwimmen gegangen (das hab ich schon lange nicht mehr gemacht - ist in Indien, oder zumindest in Kalkutta, nicht so verbreitet) und haben uns dann ein wenig die Innenstadt angesehen. Außerdem haben wir Anujs Großeltern besucht, die (für Indien relativ ungewöhnlich) nicht zusammen mit der Familie eines Sohnes o.ä. wohnen, sondern immer noch alleine. Was für Senioren in Indien aber auch einfacher ist, denn Betreuung kann sich der indische Mittelstand ohne Probleme leisten. Freitagabends haben wir zwei Onkel von Anuj und deren Frauen getroffen (wobei “Onkel” ein sehr weiter Begriff ist - die sind irgendwie mit seiner Mutter verwandt) und waren dann im Anschluss noch im Hard Rock Café. Auch das mutete sehr westlich an - untergebracht in einer alten “Mühle”, also ähnlich wie umfunktionierte Fabrikhallen, etwa im Ruhrgebiet. Preislich konnte das Café durchaus mit seinen Pendants in Europa mithalten, und die T-Shirts waren mit 20 Euro pro Stück für indische Verhältnisse auch sauteuer. Und warum man gerade aus Italien Bier importieren muss (und nicht etwa aus Deutschland, Tschechien oder den britischen Inseln), verstehe ich nicht so ganz... Das Ganze wurde aber mindestens durch die YMCA-Performance sämtlicher Kellner wieder gut gemacht!

Samstag sind wir auch wieder relativ ruhig angegangen: Morgens gingen wir zu einem weiteren “Onkel” nach Hause (wobei der nur ein Bekannter und ehemaliger Kollege des Vaters ist), wobei der Onkel selbst gar nicht da war, sondern nur seine Frau und seine Töchter. Die Töchter waren beide in ihren Teenager-Jahren und haben sich dementsprechend lustig miteinander und mit ihrer Mutter gestritten - Anuj und ich haben später nur noch mit “Shaddap, okay!?” aufeinander geantwortet (das Ganze verbunden mit dem indischen Kopfwackeln: Statt zu nicken, wird gerne der Kopf zu beiden Seiten hin gewackelt, was, wenn man nicht genau hinsieht, teilweise wie ein Kopfschütteln aussehen kann, aber trotzdem “ja” bedeutet. Allerdings wird das auch gerne benutzt, um dem, was man sagt, mehr Ausdruck zu verleihen!). Das Frühstück war aber sehr nett, und die Mutter hat von ihren Europa-Reisen erzählt - ein Fotoalbum mit Bildern aus Köln und dem Schwarzwald inklusive. Wuppertal oder Freiburg hat die gute Dame aber nicht bereits.

À propos: Das Tanztheater Wuppertal von Tina Bausch tourt gerade durch Indien. Allerdings war das Theater in Bombay, bevor ich in Bombay war und in Kalkutta, während ich in Bombay war. Aber immerhin habe ich mir in Bombay ein Magazin mit einem Artikel über Frau Bausch besorgen können - der auch Wuppertal beschreibt!

Wie dem auch sei, später haben wir uns dann noch mit Freunden von Anuj, die ursprünglich aus Kalkutta stammen, zum Mittagessen getroffen - sehr gutes Seafood, mit einem Fisch, der lustigerweise “Mumbai Duck” heißt. Ein Entenfisch also. Im panierten zustand ließ sich aber nicht feststellen, woher dieser Name rührt.

Später haben wir uns dann noch ein Neubaugebiet Bombays angesehen, wo wirklich alles extrem ordentlich aussieht - Hochhäuser in Sandsteinfarben und sehr moderne Geschäfte, ein Supermarkt warb sogar für Dr.-Oetker-Müsli (wobei ich das im Supermarkt selbst nicht finden konnte...). Dort befand sich auch noch eine Kartbahn, die gar nicht schlecht aussah und auch wesentlich günstiger als die von Herrn Schumacher in Kerpen ist - allerdings war die Wartezeit so lang, dass wir leider keine Runden drehen konnten...

Dafür sind wir im Anschluss in einem sehr chicen Hotel indisch Essen gegangen, und zwar mit der ganzen Familie (bis auf die Mutter, die ist ja erst am Sonntag gekommen), einer amerikanischen Freundin von Anujs Schwester, eine Cousine sowie ihr Bruder, dessen Frau und neun Monate altem Sohn, der nach deren Ankunft alle Aufmerksamkeit auf sich zog - und schön den sauberen Boden mit Obst zugesaut hat!

Sonntag haben wir dann noch eine etwas verrückt-aufgedrehte Freundin und ihre Cousine von Anuj getroffen - was aufgrund der Verrückt-Aufgedrehtheit auch sehr lustig war. Zusammen waren wir bei einer ihrer Freundinnen Mittagessen. Im Anschluss haben wir noch weitere die Stadt erkundigt, waren abends dann in einem “Deli”/Restaurant (nein, nicht Delhi!!) essen - und zwar so richtig schön westlich: Ein großer, schön ungesunder Burger mit ungesund Speck, Brie (Brie!!! Richtiger Käse!!!!!) und Pommes. Und dazu Heineken-Bier. War auch (für indische Verhältnisse) gut teuer, aber das musste dann mal sein! Nachher haben wir uns noch mit der verrückten Freundin plus Cousine zum Nachtisch getroffen - ein Oreo-Cookie-Milchshake, so einen hatte ich schon seit Amerika-Zeiten nicht mehr getrunken!

Montags haben wir uns dann vor unserem Rückflug nochmal in die Alstadt begeben, um eine geführte Privattour zu machen - auch mal ganz praktisch. Da verweise ich aber einfach mal auf die Galerie, die letzten Bilder sind da relativ selbsterklärend.

Auf jeden Fall ein sehr schönes Wochenende - eines der schönsten, die ich in Indien bisher hatte!

Dienstag war dann wieder groß was in Kalkutta los: Zum Sommersemester verlassen die Studenten aus dem fünften Jahr die Uni, und im Januar gibt es für sie eine von denen aus dem vierten Jahr organisierte Party. Dort wurde jeder mit einer kleinen Trophäe geehrt, danach eröffneten Bar, Buffet und Dancefloor - eine sehr feucht-fröhliche Party. Die Fotos, die man davon noch einigermaßen veröffentlichen kann, werde ich gleich auch noch in die Galerie stellen... Die Feier konnte auf jeden Fall mit Jungliberalen-Parties mithalten!

Am Wochenende hat mich mein Kommilitone Shubho wiederum zu einer Hochzeit irgendeines Cousins (wieder der Zusatz: “Cousin” ist wie “Onkel” und sogar “Großvater” ein relativ weiter Begriff!) eingeladen. Nach einer Wedding Reception werd ich jetzt also auch eine ganze Hochzeit miterleben können! Am Montag sollte es dazu mehr geben.

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9:13 Uhr, 03.01.2008

Die Feiertage in Indien

An dieser Stelle erst einmal ein Frohes Neues Jahr an alle Leser dieses Blogs!

Der Blog ist jetzt umgezogen und sieht nicht mehr so hübsch aus. Dafür ist es einfacher, ihn zu aktualisieren - ich kann das jetzt über den Browser und somit auch unterwegs machen. Zusätzlich gibt es ab sofort (eine kostenlose Macbay-Registrierung vorausgesetzt) die langersehnte Kommentarfunktion. ;)

In den ersten Wochen nach Sikkim war es etwas ruhig, nach dem kleinen Abenteuer war ich auch ganz zufrieden damit, mich erst einmal wieder in das ruhige Hostel-Leben einzufinden. Das ist hier eigentlich wirklich sehr schön; wenn man will, kann man seinen Tag ganz unindisch verbringen und sich einfach mal ins Zimmer zurückziehen, im Netz rumsurfen, etwas lesen, Filme oder Serien gucken usw. Letzteres habe ich bei dem Überangebot hier im Hostel-Netzwerk in letzter Zeit vielleicht etwas zu viel gemacht... Aber die nächsten Reisen stehen ja schon an!

Ganz faul war ich aber doch nicht, ich mach nebenher immer noch Sport und habe auch ein bisschen an meinem Aufsatz (“The European Union as a Role Model for International Law” für Völkerrecht) gearbeitet. Letzterer ist aber nicht so aufwendig wie eine deutsche Jura-Hausarbeit, deswegen werd ich das dieses Wochenende mal schnell fertig machen... Das Thema ist ja relativ einfach, wenn man sich mit EU-Recht in Grundzügen auskennt. Was Sport betrifft, werd ich demnächst mal anfangen, mit dem Fußball-Team der Uni zu spielen. Hab mir schon hochwertige Schuhe für umgerechnet 8 Euro besorgt. Die nehmen alle an, dass ich als Deutscher ja hervorragend Fußball spielen müsse. Die werden sich noch wundern ;) Aber Spaß macht’s ja trotzdem.

Also, ein bisschen aktiver wurde ich dadurch, dass am 17. Dezember Professor Haedicke aus Freiburg kam - für die Leser, die nicht wissen, wer das ist: Prof. Haedicke bzw. hat eine Partnerschaft der Uni Freiburg mit den indischen National Law Schools aufgebaut und im Zuge dessen des Austausch mit den indischen Unis angeboten - wobei wir (Matthias in Bangalore, Qaiss in Jodhpur, Dominic in Hyderabad und eben ich in Kalkutta) die ersten sind, die von der Uni Freiburg nach Indien gehen. Außerdem reist Prof. Haedicke selbst oft nach Indien und hat hier in Kalkutta u.a. einen so genannten “One Credit Course” zum Thema “European IP and Unfair Competition Law” angeboten. An dem Kurs habe ich auch teilgenommen, was einerseits für meinen Völkerrecht-Aufsatz, andererseits aber auch für die Wahl meines Schwerpunktbereiches, wenn ich nach Deutschland zurückgehe (in der engeren Auswahl stehen “Europäische und nternationale Rechts- und Wirtschaftsbeziehungen” sowie “Recht der Informationsgesellschaft”) ganz praktisch war. Bei letzterem bin ich immer noch etwas unschlüssig, tendiere aber aufgrund meiner Öffentliches-Recht-Affinität doch eher zu Europarecht.

Prof. Haedicke hat außerdem eine kleine Präsentation zu “Das ist Freiburg” gemacht, damit die indischen Kommilitonen auch mal sehen, wo er bzw. wir herkommen. Da kam dann - gerade in der Vorweihnachtszeit - doch etwas Heimweh auf, allerdings im guten Sinne: Ich freue mich immer noch sehr, hier zu sein, aber merke immer wieder, wie gerne ich in Freiburg gelebt und studiert habe und wie froh ich bin, nicht auf den “wir wechseln zum Schwerpunktbereich mal die Uni”-Zug aufgesprungen zu sein.

In der Vorweihnachtszeit hab ich dann mit Prof. Haedicke noch etwas unternommen; u.a. durfte ich einmal mit im Hyatt-Hotel zu Abend essen (sehr chic!), mit ihm und dem indischen IP-Dozenten Anirban Mazumder zu Abend essen und später mit den beiden sowie Frau Haedicke, die einige Tage später dazu kam, bei einer “Wedding Reception” eines anderen Dozenten zu Mittag essen und eine kleine Stadttour machen. Zumindest an einem Teil einer indischen Hochzeit teilzunehmen war schon aufregend, auch wenn die eigene Hochzeit schon geschehen war. Richtig spannend wird’s am 26. und 27. Januar, denn da hat mich Shubho zur Hochzeit seines Cousins eingeladen! Eine große Ehre, wie ich finde. Auf unserer Stadtrundfahrt haben wir uns einen Tempel in Kalkutta angesehen, an dem unheimlich viele Leute waren - Fotos waren leider nur von außen möglich, aber da find ich die Tempelanlagen ohnehin interessanter als von innen. Nach einer Bootsfahrt über den Hooghli (ein Arm des Ganges) waren wir dann noch bei einem der Kali-Tempel, der ebenfalls gut überfüllt war. Aber wie immer in Indien klappt im Chaos doch alles irgendwie: Unsere Schuhe, die wir in ein sehr undurchsichtiges Lager-System abgegeben haben (einen Tempel darf man nicht mit Schuhen betreten!), haben wir tatsächlich unversehen zurückbekommen, und auch der Abtransport durch das Verkehrschaos hat irgendwie funktioniert. Danach gab es noch ein sehr gutes bengalisches Abendessen in einem ziemlich kitschig-weihnachtlich geschmückten Hotel in der Innenstadt. Nach Weihnachten war ich dann noch auf Prof. Haedickes 40. Geburtstags-Feier auf dem Campus eingeladen, bevor die Haedickes dann über Silvester richtung Rajahstan gefahren sind.

Und jetzt in Einzelheiten die Erlebnisse an den Feiertagen:

Mein Geburtstag

Am 21. Dezember wurde ich 23 Jahre alt und wollte natürlich auch mit meinen indischen Kommilitonen und Paul feiern. Vom 20. auf den 21. haben wir uns in kleinerer Runde auf dem Wohnheim-Dach versammelt und etwas getrunken, während die Mädchen aus dem fünften Jahr auf ihrem Wohnheim-Dach wiederum eine Weihnachtsfeier hatten - und anscheinend irgendwie pikiert haben, dass da Jungs vom anderen Hostel aus zugucken konnten. Etwas albern, denn mehr als lustige Quiz-Spielchen und Musik war da eigentlich gar nicht... Nunja, bei dieser Gelegenheit habe ich auch mein erstes spannendes Geschenk bekommen: Eine Kurta von Smriti und Shubho; das ist eine Art indisches, langes Hemd. In Indien kann man sich damit durchaus blicken lassen, in Deutschland werde ich es wahrscheinlich (so wie Paul) eher als Nachthemd benutzen. So viel Aufmerksamkeit muss man ja dann doch nicht absichtlich auf sich lenken...

Am nächsten Abend sind wir dann in die Innenstadt zu einem Buffet und anschließend ein paar Drinks gefahren, ein wirklich schöner Abend. Ich habe statt eines Geburtstagskuchens eine Ladung Geburtstags-Pinnchen bekommen, was mir eigentlich noch besser gefallen hat! ;) Später kamen noch Marieke und ihre Schwester Wiebke, die sie über Weihnachten und Neujahr besucht, dazu, die (im Gegensatz zu den wenig “Kälte”-resistenten Indern nachher auf der Dachterrasse noch mit mir und Paul zusammen blieben), die indische Ausbeute des 23. Geburtstags bestand neben der Kurta letztendlich aus einem Plum-Kuchen von Marieke, einer kleinen Seidenmalerei von Anuj, einem “Shawl” (schreibt man glaube ich so), so ne Mischung aus Schal und Wolldecke aus dem Nordosten, von zwei Kommilitoninnen aus dem ersten bzw. zweiten Jahr und (das allerspannendste für alle Helge-Schneider-Fans!) einer “Überraschungstüte für den Herrn”, gefüllt mit schönen Süßigkeiten von Paul. Vielen Dank!

Heiligabend

Heiligabend feiern die Inder auch, und zwar nicht nur die Christen (von denen es hier gar nicht sooo wenige gibt). Allerdings ist es anscheinend selbst für letztere nicht das zentrale Fest im Jahr schlechthin, und auch sonst ist es eher ein Event unter Freunden als ein Familienfeiertag. So richtig Weihnachten kann ich zumindest ohne meine Familie nicht feiern, dennoch war es ein schöner Abend, wenn auch mal etwas ganz anderes. Zunächst waren wir in der Innenstadt mit ein paar Kommilitonen etwas essen (wo wir wirklich einen Tisch ergattern konnten - wenn auch im Nichtraucher-Bereich, der so eine Art Nebenzimmer war...), wo wir uns auch mal eine Flasche Wein zu dritt gegönnt haben. Wein ist hier seltsamerweisen wesentlich teurer als in Deutschland, und zwar absolut. Der indische Wein (europäischer ist noch viel teurer) war aber sogar ganz annehmbar. Anschließend wollten dann alle zur St. Paul’s Cathedral, eine anglikanische Kirche, in der sich die meisten Leute in Kalkutta eine Weihnachtsmesse ansehen; auch die nicht-Christen. Da bekannt war, dass es dort ziemlich voll ist, hieß es, wir sollten früh dorthin, trotzdem entschied sich unsere Gruppe, in Richtung Kirche eher zu schleichen als zügig zu gehen. Das hat mich etwas genervt...

Dementsprechend haben Paul und ich dort dann nur recht weit hinten Plätze bekommen, von denen aus man nicht so viel sehen konnte. Die anderen wollten sich nur kurz die (recht hübsche) Kirche ansehen, bevor sie wieder zurück gingen. Da indische Religionen offensichtlich weniger aus Schweigen und stiller Andacht bestehen, war der Gottesdienst auf jeden Fall ein Erlebnis, um es ganz neutral auszudrücken. Nach einiger Zeit schien einigen etwas langweilig zu werden, so dass sie immer unruhiger und lauter wurden, und zwar nicht, weil sie bei Liedern mitsangen (das haben sie nicht getan), sondern weil sie sich einfach unterhalten haben. Das ist hier übrigens sogar in Kinos so; da habe ich es letztens (Film: “I Am Legend”, ganz empfehlenswert) erlebt, dass sogar telefoniert wurde. Und zwar nicht nur, dass Telefonate (natürlich kein lautloses Klingeln) entgegengenommen wurden, sondern dass meine Sitznachbarin sogar jemanden anrief! Unfassbar. Aber anscheinend wird man, wenn man in einem Land mit so viel Menschen auf kleinstem Raum lebt, für so etwas so resistent, dass man es gar nicht mehr bemerkt (bei uns im Hostel laufen ja auch um drei Uhr nachts recht laute Filme, bspw. - hab ich mich aber auch schon dran gewöhnt)

Nunja, als es Richtung Abendmahl ging und sich ein Pulk durch die Kirche nach vorne drängte (ordentliches Anstehen ist hier auch eher selten, allerdings ist das ja auch eine sehr deutsche Tugend), sah sich sogar der Pastor dazu genötigt, mehrere Male ein ermahnendes “Bitte seien Sie still! Dies ist ein Gotteshaus und kein Marktplatz!” durch die Mikrofone zu äußern. Das hat die Anwesenden aber eigentlich wenig beeindruckt. Letztendlich bekam ich aber doch noch mein Abendmahl (in der anglikanischen Kirche sehr interessant, mit Hinknien vor dem Pastor - alles noch sehr katholisch), bevor wir dann nach draußen gingen, wo Paul und ich dann erst einmal unsere Familien anriefen.

Trotzdem fand ich den Gottesdienst jetzt nicht unbedingt schlecht, denn eine Erfahrung war das natürlich auch mal wieder. Und die Kirche sah wirklich (vor allem im vorderen Bereich vor dem Altar mit hunderten Kerzen) sehr schön aus und so ein Weihnachts-Abendmahl hat schon etwas Besonderes. Zumal das für mich Heidenkind der erste Kirchenbesuch an Heiligabend überhaupt war. Nachher haben Paul und ich dann noch etwas Eiskaffee bei Barrista Coffee, eine Art Starbucks-Verschnitt, an der Park Street zu uns genommen, bevor es wieder Richtung Uni ging. Dort stand dann als kleine Überraschung vorm Wohnheim ein schön kitschiger grüner Plastik-Weihnachtsbaum, vor dem wir noch schön für Fotos posieren konnten.

Silvester

Kurz vor Silvester wurde ich etwas krank (wenn auch nicht ernsthaft), so eine Art Magen-Darm/Grippe. Da auch einige Grippesymptome auftraten und sich die Magengeschichte in Grenzen hielt, glaube ich nicht, dass das was mit indischem Essen oder Hygiene zu tun hatte, schienen wirklich irgendwelche Viren gewesen zu sein. Jedenfalls ging’s mir nach einem Tag im Bett schon wieder recht gut, trotzdem hab ich mich entschieden, an Silvester lieber auf dem Campus zu bleiben und das Ganze ruhig angehen zu lassen. Auch Silvester scheint hier nicht soooo groß zu sein wie in Europa, immerhin ist der 1. Januar nicht einmal ein Feiertag!

Die Zimmerparty im Hostel der Kommilitonen war ganz nett, so richtig lustig wurd’s aber erst um Mitternacht rum. Prabash, der neben seiner Aufgabe als Dozent auch noch “Warden” (also eine Art Aufpasser) des Boys Hostel ist, musste verzweifelt versuchen, die Hostel-Regeln (immerhin ist kein Alkohol erlaubt!) auch an Silvester einigermaßen umzusetzen. Er schien sich aber darauf zu beschränken, darauf zu achten, dass es keine zu großen Exzesse gibt.

Auf jeden Fall führen die Trennung in Boys und Girls Hostel, die Anwesenheitspflicht und sonstige Regeln an der Uni ein bisschen dazu, dass sich die 18-23-jährigen Studenten teilweise doch noch etwas benehmen wie pubertierende Schüler aus Klassenfahrten. Neben Kommentaren zu den weiblichen Studenten äußerte sich das vor allem am Silverstabend auch dadurch, dass es um Mitternacht wirklich extrem laut wurde, auf jedem Stockwerk ein kleines Chaos ausbrach, von den höheren Stockwerken auf die Feiernden im Hof einige Wasserbomben (und zwar große gefüllte Plastiktüten!) geworfen wurden und man sich in den Zimmern dann mit Getränken versorgen lassen konnte. Klassenfahrten fand ich aber immer lustig, und das ganze Geschehen zu beobachten war auf jeden Fall auch mal was Anderes ;) Trotzdem sollte Neujahr selbst interessanter werden.

Neujahr: NUJS Night

Für den ersten Januar hat sich das Mensa-Kommittee zusammen mit ein paar anderen Helfern etwas Besonderes überlegt: Es sollte eine große Party im Innenhof mit allen Studenten sowie allen Lehrkräften stattfinden. Neben dem üblichen Abendessen, dass (wie schon am 25. Dezember) dieses Mal besonders gut und üppig ausfiel (auch wenn ich irgendwie seit den Grippetagen etwas weniger Appetit habe), gab es allerlei Programm: Einige Studeten haben gesungen (englisch und Hindi), ein Kommilitone hat wirklich fantastisch Klavier gespielt (der ist, so wie ich das verstanden habe, auch schon einmal durch Amerika getourt), im Anschluss wurden einige Dozenten aufgefordert, etwas auf Hindi zu singen, später gab es noch ein kleines “Sing-Duell” zwischen Studenten und Dozenten, einige Lehrkräfte wurden durch Hobby-Kabbaretisten teilweise recht gut imitiert, eine Dozentin wollte nicht singen, dafür aber zum Gesang einer Kollegin tanzen (was dafür, dass es improvisiert war, wirklich super funktioniert hat), ... und das Ganze zu einem wirklich schön geschmückten Campus, das war alles unheimlich gut und professionell gemacht. Hut ab!



Noch mehr zu Lachen gab es, als ein Kommilitone (den ich ohnehin nicht sonderlich leiden kann, nachdem er mir mal erzählt hat, dass man als Deutscher doch eigentlich stolz auf die Errungenschaften während des Dritten Reichs sein könnte - solche Idioten gibt’s hier leider häufiger als in Deutschland selbst) sich dazu entschied, die schönen Gesangseinlagen durch eine Hip-Hop-Performance etwas aufzupeppen. Nun passte Hip Hop in diesen Abend überhaupt nicht rein, gerade die Dozenten konnten damit wahrscheinlich weniger anfangen, dann war es auch noch ein mit entsprechendem Vokabular (entsprechende Texte - also nicht Rap, dafür andere - hör ich zwar auch, aebr die trage ich nicht auf einem Volksfest vor...) durchzogener Eminem-Text, und zu allem Überfluss konnte der Typ das noch nicht einmal. Tja, es war sehr lustig zu sehen, wie der Junge dabei rumhüpfte, die anderen alle etwas pikiert grinsten, nicht wussten, wie sie das am besten abbrechen konnten (lautes Geklatsche, dass das Ganze zum Ende bringen sollte, hat den “Rapper” nur noch angeheizt...), und letztendlich hat er sich einfach vor dem ganzen Publikum zum Affen gemacht. Herrlich!

Die ganze Zeit hab ich schon mit Angstschweiß damit gerechnet, dass jemand auf die Idee kommt, dass ich ja auch etwas auf deutsch singen konnte, und hatte mir schon überlegt, ob ich das irgendwie vermeiden könnte und wenn nicht, was ich da singen könnte - mir fielen jetzt keine klassischen Volkslieder, dafür aber vielleicht Schlager ein, bei denen ich a capella aber alles andere als Textsicher gewesen wäre, also entschied ich mich schonmal für den Fall der Fälle für “Zu spät”. Gott sei Dank war der Abend dann aber vorbei, die Dozenten schon weg, nur noch die Studenten (die allerdings natürlich das Gros des Publikums dargestellt hatten) waren noch im Innenhof... Und da kam einem dann doch noch die Idee, dass ich singen sollte. Ich versuchte mich zu wehren, es half nichts, ich musste ran.

Vor einem recht großen Publikum zu reden kann ich ja mittlerweile ganz gut und dagegen habe ich auch nichts, aber singen!? Ich singe zwar gerne, aber nur, wenn ich alleine bin, oder vielleicht angetrunken mit anderen, aber dann im Pulk mit Musik und nicht solo und a capella. Dementsprechend zittrig dürfte meine Stimme gewesen sein, als ich den Text eher etwas melodisch rezitiert als gesungen habe... Es gibt davon Aufnahmen, die ich mir aber selbst kaum antun kann und mit Sicherheit NICHT veröffentlichen werde! ;) Das Schlimmste war, dass, sobald ich anfing, plötzlich sämtliche Kommilitonen vollkommen still wurden und mich anstarrten... Das ist schon so, wenn ich mich in Vorlesungen melde (nach dem Motto, “Achtung, der Deutsche sagt was!”), aber hier war das besonders schlimm. Naja, ausgelacht hat mich (im Gegensatz zu dem Rapper) niemand und anscheinend war’s dann doch nicht so schlimm... ;)



Trotz dieses Schocks war das wirklich ein Superabend und der ideale Start in ein neues Jahr, von dem ich mir in und auch nach Indien sehr viel und sehr viel Schönes verspreche. Und als guten Vorsatz kann ich mir ja vornehmen, etwas öfter zu schreiben, jetzt, wo ich das ja einfach über den Browser erledigen kann...!

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9:09 Uhr, 03.01.2008

Sikkim - Himmel auf Erden [vom 7. Dezember 2007]

Die Überschrift mag etwas pathetisch sein, aber in Sikkim ist es wirklich wunderschön. Ich war nur drei Tage wirklich dort unterwegs (Montag, Dienstag, Mittwoch), der Sonntag sowie Mittwochnachmittag und -nacht musste ich eher für die An- und Abreise nutzen. Ich fuhr mit einem Nachtzug von Kalkutta nach New Jaipalguri, von da aus dann in die Stadt Siliguri, von wo aus ich wiederum mit einem Jeep in die sikkimesiche Stadt Pelling fuhr. In New Jaipalguri und Siliguri wollte man mir erst einmal einen eigenen Fahrer für 1500 bis 1800 Rupien andrehen, die Shared Jeeps, von denen ich im Reiseführer gelesen hatte, gebe es nach Pelling gar nicht oder zumindest an dem Tag nicht mehr. auf solche Auskünfte sollte man sich aber nicht verlassen, also bin ich weiter durch die Straßen gelaufen und habe herumgefragt, bis ich dann einen Anbieter gefunden habe, der mich für 180 Rupien nach Pelling bringen konnte. Kurz dachte ich, dass ich vielleicht auf einen Trick hereingefallen sei (auf dem Ticket stand, wie ich plötzlich sah, 12 AM statt PM - fahren die erst um Mitternacht!?), aber um 12 Uhr mittags ging’s wirklich los.

Die Fahrt dauerte vier Stunden und ging durch viele wirklich sehr schöne Berge. Es war nur recht holprig und wir saßen vorne im Jeep zu dritt - neben mir zwar eine kleine Sikkimesin (die wir unwissenden Europäer übrigens ethnisch eher Richtung China als Indien einordnen würden), aber wirklich viel Platz war trotzdem nicht. Aber es war schon ganz in Ordnung.

Als ich dann in Pelling ankam, war es bereits fast dunkel, aber ein Hotel zu finden war trotzdem kein Problem. Ich habe ein etwas teureres Zimmer genommen, in dem man sein eigenes Bad hatte, letztendlich wäre das aufgrund der niedrigen Belegung des Hotels aber wohl gar nicht nötig gewesen. 300 Rupien hat der Spaß gekostet, also rund 5 Euro, was für Indien einigermaßen teuer ist. Abends bin ich dann noch etwas um Pelling herum gelaufen (eine kleine, ganz nette Bergstadt), bevor ich dann in dem Hotel auch zu Abend gegessen habe. In dem Restaurant waren zwei Italiener, zwei Amerikaner, ein paar weitere Weiße, deren Nationalität ich nicht erfahren habe, ein Maltese (Matthews) und ein Tscheche (Georg). Alles sehr nette Leute - Matthews und Georg reisen beide schon länger durch Indien und treffen sich wohl immer zufällig wieder, wie jetzt auch in Pelling. Vielleicht seh ich die auch nochmal wieder. Am nächsten Tag hab ich dann noch Marco kennen gelernt, ein Deutscher aus Baden-Baden.

Morgens wars übrigens ziemlich kalt, zumal es nicht so angenehm war, dass das Zimmer keine Heizung hatte und es auch alles recht feucht war. Das Wetter war in Ordnung, allerdings doch recht bewölkt und die Sicht nicht so weit - auf dem Dach des Hotels war eine Terrasse, von der man aus eine sehr gute Sicht haben sollte. Dachte ich an dem Morgen auch, allerdings wusste ich da noch nicht, was sich noch hinter den Wolken verbirgt. Jedenfalls habe ich in Pelling morgens schon einige kleinere tibetisch-buddhistische Rituale mitbekommen (Verbrennen von Essen, anscheinend als Opfergabe, und Gewürzen - das roch alles sehr gut).

Also, morgens bin ich dann gleich mit meinem großen Trekking-Rucksack (ca. 10-15 Kilo Gewicht, nehme ich an - das sollte sich später noch bemerkbar machen) los, um mich auf den “Monastic Trail” zum Lake Kechagpuri zu machen. Von Pelling aus ging es da erst einmal ein ganzes Stück abwärts, was, da es in der Nacht zuvor geregnet hatte, ziemlich rutschig war. Da haben dem ungeübten Bergwanderer selbst die recht guten Wanderschuhe nicht so viel geholfen. Wie dem auch sei, ich wanderte durch einen sehr schönen, noch recht tropisch anmutenden Wald, es wurde mit der Zeit immer wärmer, zwischendurch kam ich an Kindern vorbei, die schon vom weiten “Namaste” riefen (und dann auf ein Foto drauf wollten, dann aber anscheinend Geld wollten und etwas frecher fürs Foto posierten - siehe Album!) und überhaupt war die Gegend recht dicht mit kleineren Bauerhäusern besiedelt. Zwischendurch traf ich auch wieder das italienische Ehepaar, die ich dort aber überholte. Im Tal musste ich einen Fluss überqueren, wo ich mich erst einmal ausruhen und die Selbstauslöserfunktion meiner Kamera nutzen konnte - sonst beschwert sich nachher wieder jemand, dass ich selbst ja auf keinem der Fotos drauf sei...

Insgesamt fand ich das Bergwandern wirklich herrlich. Zwischendurch fand ich immer wieder, dass die Berge in diesem südlicheren Teil des Himalayas gar nicht so viel anders aussehen als unsere Alpen - und fragte mich dann, warum ich nicht überhaupt von Freiburg aus mal gewandert bin. Im Schwarzwald gibt es auch Berge, und in die Alpen könnte man ja auch früh morgens hinfahren. Das sollte ich, wenn ich zurück bin, auf jeden Fall mal nachholen.

Auf dem Weg den nächsten Berg hoch merkte ich schon, dass es doch schwieriger ist, mit richtigem Gepäck zu wandern. Zwischendurch ließ ich mich aber wieder von Kindern ablenken, die für Fotos posieren und dann auch eine Bezahlung (“Biscuits?”) wollten. Kekse hatte ich aber nicht. “Ten Rupees?” “No! But I have five rupees for you, you can share them.” Paul meinte nachher, dass man den Kindern gar kein Geld geben sollte, da man sie sonst nur zum Betteln erzöge. Ich bin mir da nicht sicher. Kam mir in dem Moment eigentlich nicht so falsch vor.

Nunja, als ich den Berg ein Stück hoch geklettert war, kam ich an einer Straße an, auf der man weiter zum Lake Kechagpuri wandern konnte, wie auch das Schild an der Straße zeigte. Den Berg hinauf führte aber noch ein kleiner, sehr steiler Weg (kommt leider auf den Bildern nicht als so steil herüber) zum Kloster “Melli”. Da es noch relativ früh war (ich glaube, ca. 11, 12 Uhr), entschloss ich mich, den Umweg zu machen, da (laut meiner, zugegeben etwas spärlich ausgestalteten Karte) auch eine Straße zur “Melli Gumpa” führte. Das sollte sich nachher als falsch herausstellen; durchgezogene Linien stellten auf der Karte wohl nicht immer Straßen dar.

Also machte ich mich auf den Aufstieg, der wohl das anstrengendste war, was ich je gemacht hatte. Wie viele Höhenmeter das waren, weiß ich gar nicht, und ich war auch nur ca. 2 bis 3 Stunden unterwegs, aber es war wirklich extrem anstrengend. Zwischenzeitlich traf ich immer wieder auf Leute - zunächst hörte ich irgendjemanden jemandem auf der anderen Seite des Berges zurufen und habe dann einfach in die Rufe mit eingestimmt, was der oder die Rufenden sehr lustig fanden. Irgendwann sah ich die Rufenden dann - ein paar Mädchen auf einem Feld, die ich dann auch noch nach dem Weg fragen wollte. Was man in den Bergen aber nie machen sollte, ist, sich nicht vollkommen auf den Weg zu konzentrieren, denn da habe ich mich erst einmal daher gelegt - vor dem unangenehmen Herunterrutschen über einen Teil des Berges konnte ich mich aber durch ein Festhalten an Sträuchern noch retten. Die Bergbewohner fanden das (wie alle Komplikationen, die man als Nicht-Bergmensch so hatte) natürlich sehr lustig! Danach hab ich mich erst einmal ausgeruht und mich an den Mandarinen, die anscheinend gerade frisch vom Baum heruntergefallen waren, ein wenig gestärkt.

Ein bisschen weiter den Berg herauf kam ich noch an einer Schule vorbei und befand mich immer noch auf dem richtigen Weg - auf Nachfragen waren die Menschen wirklich sehr hilfreich, und viele (meistens die Kinder) konnten auch einigermaßen englisch. An einem Bauernhaus entschied sich die Familie dann, dass es doch nicht so schön sei, alleine zu wandern und schickte noch den zehnjährigen Sohn namens Mikmachelling (Schreibweise könnte falsch sein) mit, der ebenfalls gut englisch konnte. Zu diesem Zeitpunkt ließen meine Kräfte schon gehörig nach, so dass ich alle paar Schritte kurz Pause machen musste. Ob das an fehlender Ausdauer, mangelnder Kraft in den Beinen, den Höhenmetern (ich weiß nicht, ob das bei 2000 Metern über NN schon etwas ausmacht) oder der Tatsache lag, dass ich gar nichts zu essen mitgenommen hatte (essen wollte ich am Lake Kechagpuri), weiß ich nicht. Jedenfalls war Mik anscheinend etwas verwirrt, dass ich so oft anhalten musste; er selbst war mit seinen Schlappen wesentlich schneller unterwegs. Aber im Kloster soll man, wie mir seine Familie und er gesagt haben, übernachten können, auch gebe es dort eine Bakery. Wie schön!

Tja, dann kamen wir oben an und dann war da überhaupt niemand. Nur einer, der das Kloster putzte. Mit Essen und Übernachten war da nix. Und eine befestigte Straße gab es auch nicht runter, nur einen Wanderweg. Na toll. Trotzdem, das Kloster war recht nett und ausruhen konnte ich mich ja trotzdem. Und ein Foto von mir mit Mik wollte ich auch machen, aber der Junge hatte anscheinend so einen Respekt vor meiner Kamera, dass er das erst gar nicht wollte - erst, als ich ein Foto nur von mir selbst gemacht hatte, schien er von der Kamera so begeistert zu sein, dass er sich auch neben mich setzen wollte. Im Gegensatz zu den anderen Kindern schien er gar nichts als Dankeschön haben zu wollen, aber Kleingeld hatte ich keines mehr dabei. 100 Rupien schien mir ein bisschen viel bzw. unangebracht. Allerdings habe ich in meiner Tasche noch ein 2-Euro-Stück gefunden, was ja auch ein schönes Andenken ist. Und ich hatte gehört, dass Inder, wenn sie einen Besucher hatten, gerne eine Unterschrift von jemandem haben wollten oder ein Bild o.ä., um das anderen zu zeigen. Ich hatte noch eine Kopie meines Reisepasses dabei und hab ihn gefragt, ob er das beides haben wollte, mit etwas Zurückhaltung hat er es dann angenommen - und ich machte mich wieder auf den Weg.

Um unten zumindest an einer Straße zu sein, bevor es dunkel wird (dort hätte ich dann ja ein Taxi nehmen können), wollte ich mich beeilen, deswegen gibt es von dem Abstiegsteil auch keine Bilder. Angesichts der Möglichkeit, in den Bergen hängen zu bleiben, war mir schon etwas unwohl, wobei ich mit Schlafsack ja das nötige Equipment dabei gehabt hätte und es sowieso heißt, dass man bei den allgemein sehr gastfreundlichen Indern zu Hause immer gut unterkommen kann. Allerdings sah ich das nur als Notfallplan an, denn mich selbst irgendwo einquartieren wollte ich nicht. Dann fing es aber auch noch an zu regnen, und als ich einen Mann, der mir entgegen kam, noch nach der Richtigkeit des Weges fragte, bat der mich erst einmal zu sich hinein.

Es handelte sich um ein Ehepaar Anfang 40, das dort in den Bergen lebt, und zwar so richtig autark: Sie versorgen sich selbst, und bis auf ein paar Glühbirnen, die dauernd ausfallen, eine Armbanduhr, einen Wasserhahn draußen und eine Taschenlampe schienen die beiden wirklich wie in der Steinzeit zu leben. Also Küche mit Feuerstelle, das ganze “Küchenhaus” mit gestampftem Lehmboden, daneben Holzhütten usw. Ich bekam etwas zu trinken, was sich “Chang” (oder so) nannte; irgendwelche kleine, roten Beeren mit Gewürzen, die mit heißem Wasser gemischt werden. Ich hatte das Gefühl, dass das Ganze ein wenig nach Alkohol schmeckt, auf jeden Fall gaben mir die beiden immer mehr und meinten, ich solle doch trinken. Angesichts der Möglichkeit, dass es wirklich Alkohol enthält und ich nicht abschätzen konnte, wie viel, habe ich mich zurückgehalten, habe aber auch keine alkoholische Wirkung bemerkt - nachher hat mir ein Kommilitone gesagt, dass das Zeug wohl ziemlich viel Alkohol hat, mir hat es auf jeden Fall nichts ausgemacht.

Nun, jetzt wollte ich halt auch wissen, ob die Herrschaften eigentlich wollten, dass ich dort übernachten soll, oder ob ich nur zum Trinken eingeladen wurde, und wenn letzteres, ob sie mir sagen könnten, wo ich zum Übernachten hin könnte. Das Problem: Englisch sprachen die so gut wie gar nicht. Also fragte ich nach Hindi, der Mann nickte, und ich versuchte es mit dem Hindi-Phrasebook im Lonely Planet. Da reagierte er aber nicht wirklich drauf. Also habe ich meine Kommilitonin Smriti angerufen, um zu übersetzen - wo sich dann aber herausstellte, dass die beiden nur Nepali bzw. Sikkimesisch (scheint ein Dialekt zu sein) sprechen. Also musste Smriti erst einmal jemanden auftreiben, der diese Sprache und englisch spricht - was an NUJS aber anscheinend kein Problem ist, denn kurz später gab sie mir die Nummer der Kommilitonin Apparajita (die ich wahrscheinlich vom Sehen kenne...), die ich dann anrief, um zu übersetzen. Dann fingen Herr und Frau Gastgeber an zu schreien, ich wusste gar nicht, wie mir geschieht, Apparajita war auch gar nicht mehr dran und als ich sie endlich wieder erreichen konnte, erfuhr ich, dass ich dort wohnen könnte. Na dann! Das Problem war halt, dass es extrem schwierig war, mit diesen Leuten zu kommunizieren, und so spät war es noch nicht, also wusste ich gar nicht, wie ich da den Tag verbringen sollte - so Zeichensprache ist doch recht anstrengend. Sie haben mir aber was zu essen gemacht, waren ebenfalls von meiner Kamera begeistert, wollten mir meine Armbanduhr abkaufen, gaben sich dann aber mit meiner Taschenlampe (100 Rupien - die hab ich ihnen geschenkt) mehr als zufrieden und ihre eigene Taschenlampe habe ich ihnen auch noch repariert. Um 19 Uhr (da ist es ja schon dunkel) gingen die beiden schon ins Bett, ich auch - nachdem ich erstmal dankend einen getrockneten Frosch, den ich entweder essen oder als Zahnbürste benutzen sollte (so sicher bin ich mir da nicht), abgelehnt habe. Aber so früh konnte ich trotz Erschöpfung nun doch nicht schlafen, lag also eine Zeit lang noch wach. Achja, mittlerweile waren eigentlich sämtliche Klamotten klamm. Und wo ich dort meine Kontaktlinsen herausnehmen sollte, wusste ich auch nicht genau, also habe ich sie einfach mal über Nacht drin gelassen; notfalls soll das ja auch mal gehen. War auch kein Problem, nur sah man nach dem Aufwachen erst einmal alles verschwommen (bis die Kontaktlinsen wieder sauberer waren) und um die Augen herum war alles etwas verkrustet. Aber erstaunlicherweise war, wenn man sich davon befreit hatte, alles in Ordnung, bis zum Abend des Tages.

Morgens konnte ich dann erst einmal den tollen Blick auf die weiter entfernten, wirklich hohen und damit schneebedeckten Berge des Himalaya bewundern; einer davon ist wohl der dritthöchste Berg der Welt. Ein fantastischer Blick. Ein weiterer Nachbar hatte sich mittlerweile zu den beiden dazu gesellt und ich bekam noch Frühstück, Tee (mit Salz (!?)) und wieder ein wenig von dem Chang-Getränk. Dann fragte ich noch, ob ich sie für das Essen und die Unterkunft bezahlen dürfte - das hatte die Frau zu entscheiden und sie bat um 100 Rupien, die ich gerne gab. Dann machte ich mich von dannen.

Zwischendurch traf ich wieder auf eine Familie mit Kindern, die ich nach dem Weg fragte, und wieder machte sich eines der Kinder, dieses Mal die 8-jährige Mi, Zi, oder irgendwas auf, um mir den Weg zu zeigen. Sie war etwas geschäftstüchtiger als Mik (“Sweets?” “Photo?” “2 Rupees?”), aber auch hier hatte ich weder Süßigkeiten noch Kleingeld (und 100 Rupien erschienen mir immer noch unangebracht). Dann wollte sie allerdings das Handtuch haben, dass ich in Pelling gekauft hatte - wahrscheinlich, weil’s so schön rosarot war. Und weil sie wahrscheinlich wusste, dass das ein guter Deal war, denn das hatte mehr als 100 Rupien gekostet. Erschien mir aber trotzdem angebrachter als 100 Rupien, also ließ ich sie es haben und sie machte sich, nachdem sie mich sicher zur Straße gebracht hatte, fröhlich auf den Heimweg.

Die Straße entlang kam ich dann immer näher an den Lake Kechagpuri, zwischenzeitlich kamen mir doch wirklich noch einmal europäische Touristen entgegen (über den Melli-Gumpa-Berg war ich nicht einem einzigen begegnet), und am See selbst war ich erst einmal fast alleine. Ein sehr schöner See mit vielen tibetischen Gebetsfahnen und Gebetsmühlen auf einem Steg, wo ich dann erst einmal ein paar meiner Klamotten zum Trocknen in die Sonne gelegt habe und etwas gelesen habe. Es war noch früh und ich hatte Zeit, zumal ich noch nicht wusste, was ich als nächstes machen wollte. Vom Wandern hatte ich erst einmal genug, jetzt stellte sich die Frage, ob ich einfach am See bleiben, dort übernachten und mich dann am nächsten Tag auf den Heimweg machen sollte oder mir noch irgendetwas mit dem Auto ansehen sollte.

Mit der Zeit kamen doch immer mehr Touristen vorbei - zunächst eine sehr nette indische Familie, die untereinander englisch sprach; sie lebten seit einiger Zeit in Australien. Später ein deutsches Ehepaar, das mir etwas von Tibet erzählt hat (und dass die Chinesen das dort ja gar nicht unterdrückten und der Dalai Lama ja auch vom CIA gesponsort würde... Da werd ich mich mal etwas nachforschen, denn eigentlich respektiere ich den Dalai Lama sehr). Und letztendlich eine Familie aus Kalkutta, die mir dann angeboten haben, mit ihnen im Jeep nach Pelling zurückzufahren. Das Angebot habe ich gerne angenommen und entschloss mich, von Pelling aus einfach mal in die Hauptstadt Sikkims (Gangtok) zu fahren, um mich dort noch etwas umzusehen, bevor es nach Hause geht.

Die Fahrt nach Gangtok war recht lang, und anscheinend gibt es auf fast jeder Reise durch Sikkim (nach Pelling war das auch schon so gewesen) eine Reifenpanne, die die Fahrer aber recht schnell beheben können. Im Jeep waren noch ein paar Mädels aus Bangalore, mit denen ich mich nach einiger Zeit auch ganz nett unterhalten habe - das Übliche, wenn man als weißer Tourist alleine herumsitzt: Woher kommst du, was machst du hier, wie gefällt’s dir usw. Außerdem haben sie mir dabei geholfen, ein Hotel zu buchen, denn am Telefon kam ich mit dem Herrn an der Rezeption kommunikationstechnisch nicht wirklich zurecht.

Abends um 20 Uhr kamen wir dann in Gangtok an, der Fahrer setzte mich vor den Damen ab und ich wollte mich auf zum Hotel machen - und dann kam der größte Schreck der Reise überhaupt: Ich hatte mein Portemonnaie offenbar im Jeep liegen gelassen (weil ich beim Sitzen nicht alles in den Taschen haben wollte). Das war mehr als nur ein Schreck, denn im Portemonnaie war nicht nur mein Bargeld, sondern auch meine EC- und Kreditkarten. Was macht man ohne Geld mitten in Indien, also auch ohne Geld für Hotel, Taxi usw.? Mir kamen mit der Zeit ein paar Gedanken (Handy oder Kamera auf der Straße verkaufen (was sicherlich gegangen wäre, aber mit hohem Verlust) und das Geld für ein Hotel und Taxi nach Siliguri nutzen - das hätte gereicht, Zugticket und Reisepass hatte ich ja alles noch; im Extremfall hätte ich ein Taxi bis nach Kalkutta genommen und das Geld dann dort aufgetrieben, was leichter gewesen wäre), aber zunächst bekam ich erst einmal richtig Panik. Im Reiseführer guckte ich, ob ich die Betreiber der Jeep-Taxis anrufen könnte, was wirklich möglich war - allerdings mussten die erst einmal nachforschen, welcher Jeep das war, waren aber sehr hilfreich. Währenddessen bot ein sehr hilfreicher Einwohner Gangtoks mir seine Hilfe auf der Straße an, konnte aber zunächst natürlich auch nicht so viel machen, schien aber so besorgt um mich zu sein, dass er erst einmal bei mir blieb (“Wenn du es nicht wiederbekommst, kannst du bei mir wohnen!”). Jedenfalls tauchte der Jeep kurz später wirklich wieder auf, den Taxifahrer wollte ich fast schon umarmen, aber das Portemonnaie war weg. Jetzt gab es nur zwei Möglichkeiten: Entweder hatten es die Mädels aus Bangalore gerettet, oder der Fahrer hatte es genommen, wodurch ich ein Wiedersehen vergessen könnte. Mein neuer Freund aus Gangtok erwies sich jetzt als wirklich große Hilfe, denn er konnte den Fahrer, der kaum Englisch sprach, fragen, wo er die Mädels hingebracht hatte.

Daraufhin nahmen wir uns ein Taxi (was er auch noch bezahlte...) zu dem Hotel, bei dem es sich um eines handelt, das vom Militär betrieben wird. In diesen können alle Mitarbeiter der Armee und ihre Angehörigen übernachten, davon hatte ich schon gehört. Sah wirklich sehr gut aus und die Herren an der Rezeption waren unheimlich freundlich. Ich habe ihnen (sehr hastig und immer noch ein wenig in Panik) erklärt, worum es ging, und der Herr an der Rezeption lächelte nur (“Do you want to meet them, or do you want to wait?”). Das Lächeln hieß wohl, dass er wusste, dass alles gut werden würde, aber ich war mir nicht sicher, ob er jetzt vielleicht dachte, dass ich mich in eine der Damen verguckt hätte und sie wiedersehen wollte, weil er einige Male grinsend “Do you want to meet them?” fragte. Naja, soll er das halt denken, ich stimme zu und gehe mit - und auch wenn die Mädels etwas überrascht waren, wie ich herausgefunden hatte, wo sie wohnen, gaben sie mir (ebenfalls erleichtert, denn sie wussten nicht, wie sie mich kontaktieren sollten) mein Portemonnaie zurück. Ebenso überglücklich standen der Rezeptionist und mein neuer Freund daneben. Wahrscheinlich ein sehr schönes Bild! Irgendwie wollte ich mich bei den Damen bedanken und schlug vor, dass ich sie vielleicht am nächsten Tag zum Mittagessen einladen könnte, oder (sie wollten im Anschluss noch dahin reisen) in Kalkutta. Das wollten sie aber nicht - keine Ahnung, ob sie das jetzt als versuchte Avance angesehen haben, wobei man ja eigentlich nicht bei dreien auf einmal avanciert, oder ob man das in Indien nicht so macht, aber eigentlich wirkten die drei sehr modern. Oder sie wollten einfach keinen “Finderlohn” annehmen. Jedenfalls war ich sehr glücklich, das Armee-Hotel wollte mir zur Beruhigung noch einen Tee oder einen Kaffee anbieten, aber ich lehnte dankend ab, denn ich musste ja auch mal zu meinem Hotel - bis zu dem mich mein neuer Freund, dessen Namen ich leider vergessen habe, noch begleitet hat, denn er wollte ja auch sichergehen, dass ich gut ankomme. Im Hotel hatte ich sogar einen Fernseher, konnte da noch einen amerikanischen Film sehen (Wedding Crashers, etwas dämlich-seicht, aber ganz unterhaltsam und im fremden Indien irgendwie immer wieder ganz erfrischend), Essen und sikkimesisches Bier aufs Zimmer bekommen und allgemein war es ein sehr schöner Abend.

Am nächsten Tag bin ich früh raus, denn ich hatte nur bis mittags Zeit und wollte mir ja noch etwas von der Hauptstadt ansehen. Die Stadt selbst ist ziemlich klein, nur 39.000 Einwohner, und so viel gibt es nicht zu sehen - aber sie wirkte sehr ruhig und friedlich, gerade am Morgen; so ähnlich, wie man sich kleine Städte in China oder Japan vorstellt. Mit einem Taxi bin ich dann noch auf den Berg zu einem Kloster gefahren, wo ich dieses Mal wirklich viele Mönche sehen konnte, die auch gerade einen Tanz probten. Sehr interessant anzusehen, und das Kloster selbst war von innen für das tibetische Neujahr geschmückt und es waren gerade viele Leute oben, um zu beten. Eine nette ältere Dame, die wirklich perfekt englisch konnte, hat mir auch ein wenig über die Bräuche erklärt.

Auf dem Weg zurück (eigentlich wollte ich herunter laufen und noch ein paar Fotos von den Bergen machen) hielten mich wieder die Fragen nach meiner Herkunft und ob ich denn wirklich alleine sei (das scheint hier wirklich sehr ungewöhnlich zu sein, alleine zu reisen) auf - ein Junge wollte meine Handynummer haben, für den Fall, dass ich noch einmal nach Sikkim komme, und dann kam noch ein netter Mitt-Zwanziger dazu, der mich erst einmal auf einen Tee einlud. Dann meinte er, ich solle mir doch auch sein Haus ansehen, er sei verheiratet und habe zwei Kinder (mit 25!). Also ließ ich meinen Plan des Herunterwanderns erst einmal sein und ging mit.

Sherab, so heißt mein zweiter Freund in Gangtok, ist Ingenieur und wohnt in einem Vorort der Stadt, den ich noch friedlicher und schöner fand. Sein älterer Sohn ist schon zwei, hat lange Haare und Ohrringe - sah aber trotzdem aus wie ein Junge, wie ich finde. Seine Frau war erst einmal etwas irritiert, weil Sherab da plötzlich so einen großen Europäer anbrachte (und dann auch noch mit Bart... Der Bart musste sein! Ich war immerhin Bergwandern! Reinhold Messner hat auch immer Bart! Hätte ich gewusst, dass ich zu so netten Leuten nach Hause komme, hätte ich mich natürlich ordentlich gemacht, aber das wusste ich ja nicht...), hat sich dann aber nachher auch sehr nett mir mit unterhalten. Deren zu Hause war so ziemlich die sauberste Wohnung, die ich je gesehen habe: Der Boden glänzte, alles aufgeräumt, ein sehr schönes Gebetszimmer usw. Ich bekam einen sehr leckeren Tee und ein gutes Frühstück, bevor Sherab sich dann wieder mit mir aufmachte - mir aber all seine Kontaktdaten gab, auch meine Handynummer und Mail-Adresse wollte, und mir mehrmals sagte, ich solle ihm auf jeden Fall bescheid sagen, wenn ich noch einmal nach Sikkim komme (was ich im März oder April auch vorhabe), dann könne ich bei ihm wohnen, er würde mir mit seinem Auto alles zeigen. Normalerweise würde ich das von einem Fremden ja ungerne annehmen, aber ich glaube, bei ihm werde ich darauf auch eingehen, denn er schien es wirklich ernst zu meinen und wollte mich anscheinend wirklich gerne da haben. Als ich ihm sagte, dass ich im März und April durch ganz Indien reisen würde, meinte er sogar: “Ich will ganz ehrlich sein, ich kann dir alles in Sikkim zeigen, aber durch ganz Indien kann ich mit dir nicht” - ich werde durch Indien natürlich mit Zug, Flugzeug u.ä. reisen, aber dass er da überhaupt drüber nachgedacht hat, mich herumzuführen, fand ich unheimlich beeindruckend.

Gegen Mittag machte ich mich dann auf die Rückreise, auf der nicht mehr so viel passiert ist - außer, dass mich die “Coffee, Coffee, Coffee”-krakeelenden Herren im Zug, die anscheinend in ganz Indien alle die gleiche Stimme haben, etwas genervt haben und im Zug auch noch heftig geschnarcht wurde. ;) Insgesamt ist Sikkim wohl einer der schönsten Orte, die ich je gesehen habe, vor allem mit den wohl angenehmsten und hilfsbereitesten Menschen, die ich bisher getroffen habe. Alleine deshalb möchte ich sehr gerne zurück, denn obwohl der Staat auch für europäische Verhältnisse sehr klein ist, habe ich nicht das Gefühl, auch nur ansatzweise genug gesehen zu haben. Auf jeden Fall war das aber auch mal ein richtiges Abenteuer mit zwei etwas unangenehmen Momenten - was tun, wenn man in den Bergen hängen bleibt und was tun, wenn man sein Geld verliert. Achja, letzteres ist natürlich rein auf meine eigene Dummheit zu schieben; danach hab ich erst einmal alles Bargeld und die Karten in meinen sicheren Bauchgürtel gepackt und werde Geld auf zukünftigen Reisen über mein Gepäck verteilen und nicht alles an einem Ort tragen.

Vielleicht alleine deswegen, aber auch generell war ich dann sehr froh, wieder in Kalkutta zu sein, denn hier im Hostel ist das Leben ja sehr einfach und angenehm. Auf weitere Reisen (wahrscheinlich dann im März, wobei im Januar auch einige freie Tage sein sollen) freu ich mich aber schon sehr. Vor allem noch einmal nach Sikkim.

9:05 Uhr, 03.01.2008

Neuigkeiten [vom 29. November 2007]

Ich weiß, mit diesem Update habe ich mir etwas Zeit gelassen. Es ist aber nicht wirklich viel Großes passiert, dafür aber viele Kleinigkeiten. Auf die werde ich im Folgenden zurückblicken.

Also, mir geht es weiterhin wirklich sehr gut hier. Die Kommilitonen sind weiterhin sehr nett, ich komme mit allen (ob Inder oder Deutsche - hallo Paul, hallo Marieke ;)) sehr gut zurecht. Ich bin immer noch nicht krank geworden (von wegen, “am Anfang wird jeder krank”, hähä!). Und obwohl mir einige Sachen schon ziemlich auf die Nerven gehen (s.u. ...) gefällt mir Indien immer besser.

Also, ich werde einfach mal einige Themen anschneiden:

Was ich in den letzten zwei Wochen so gemacht habe (in Kurzform)

Dass in Indien ein Film-Festival ist, wo wir in einem französischen Film waren, habe ich im letzten Eintrag ja schon erwähnt. Danach waren wir noch in zwei anderen Filmen: Irgendeiner aus Venezuela, den ich irgendwie sehr wirr fand, aber war ganz nett. Abends dann in - Trommelwirbel - “Das Leben der Anderen”. Ja, dafür geht man nach Indien! ;) Ich hatte den Film aber noch nicht gesehen und muss sagen, ich war hellauf begeistert. In Indien kommt der Streifen auch sehr gut an: Das war offenbar der einzige Film (zumindest der einzige, den ich oder die anderen - Paul, Krishni und Marieke, eine andere deutsche Studentin, die in Deutschland Pflegepädagogik studiert und hier ein Praxissemester macht; hallo nochmal ;) - gesehen hatten), wo das ganze Kino am Ende applaudiert hat. Respekt, Herr von Donnersmarck!

Dann sind Paul und ich noch einem Fitnessstudio (ja, wirklich!) beigetreten. Und zwar im Hotel “Stadel”, ein relativ luxuriöser Schuppen, der im Fußballstadion untergebracht ist. Relativ seltsam, aber das Gym selbst ist wirklich gut. Zumindest was die Ausstattung angeht; die Trainer find ich zwar auch einigermaßen in Ordnung, aber könnten doch um einiges besser sein: Vor allem motivierter und ein bisschen englisch zu können würde in so einem guten Schuppen sicherlich auch nicht schaden. Aber mit Zeichensprache und so geht das ja noch. Und ich habe meine Freude am Laufen entdeckt (direkt nebenan ist noch ein Sport-Komplex) - mal sehen, ob ich das dauerhaft durchhalte. Ich bin da mit Prognosen lieber vorsichtig. ;)

Was die Uni betrifft, habe ich mich jetzt auf folgende Fächer beschränkt bzw. die weniger spannenden Sachen “ausgesiebt”:

Contracts I: Da lernt man nicht wirklich viel Neues, aber es ist für eine weitere Einführung ins angelsächsische Rechtssystem recht angenehm. Außerdem ist die Lehrerin wirklich cool.

Public International Law: Völkerrecht. Bisher mein Lieblingsfach, und der Lehrer kann sich auch wirklich sehen lassen - wobei nächste Woche ein anderer Lehrer übernimmt (der bisherige war nur Vertretung), der auch ganz gut sein soll - und blind. Ich bin mal gespannt, wie man blind als Lehrer arbeitet... Ich hab bisher nur von ihm gehört. In dem Fach werd ich auch eine Hausarbeit schreiben (Thema: “The European Union as a Role Model for International Law”, allerdings sind Hausarbeiten hier wesentlich weniger arbeitsintensiv als in Deutschland) und wohl auch noch ne Prüfung machen - für Anrechnung in Deutschland.

Intellectual Property Law II: Patentrecht. Lehrer gefällt mir, Fach gefällt mir. Mehr muss man gar nicht sagen!

Advanced Constitutional History: Ist bisher oft ausgefallen bzw. konnte ich nicht hin, scheint aber interessant zu sein - und da krieg ich auch mal was von Indien selbst mit; das andere ist ja eher global orientiert.

International Investment Law: Hat erst letzte Woche angefangen und daher war ich auch erst einmal da. Ist aber von dem bisherigen Public-International-Law-Lehrer, und wird daher sicherlich sehr gut sein.

Insgesamt kann ich schwer sagen, wo das Niveau im Vergleich zur deutschen Uni anzusiedeln ist. Nach dem, was ich bisher gehört habe (“um da durchzufallen, muss man schon geistig behindert sein”) und wie es im Unterricht wirkt würde ich aber sagen, dass es eher einfacher ist. Aber ein abschließendes Urteil will ich da nicht fällen.

Achja, noch kurz hierzu: Indische Discos sind eigentlich genauso wie deutsche auch! Zumindest die teuren - die dann leider auch so teuer wie in Deutschland sind. Aber ich find indische Musik cool! (wobei da auch westliche lief)

9:03 Uhr, 03.01.2008

Der erste Urlaub [vom 14. November 2007]

Es gibt wieder viel zu berichten. Ich versuche, mich kurz zu fassen!

Letztes Wochenende war in Indien das so genannte “Diwali”-Fest. Wie wichtig das genau ist, weiß ich nicht, es gibt wohl einfach zu viele indische Feiertage, um da ne Reihenfolge wie Weihnachten/Ostern (wobei das ja auch umstritten ist) festzustellen. Jedenfalls möchte man die Göttin des Wohlstandes in sein Haus bitten, schmückt das Haus daher mit Kerzen, viele Inder wollen bei dem Anlass ihren Wohlstand mit ein bisschen Glücksspiel stärken und außerdem wird geböllert, was das Zeug hält. Aber dazu später.

Ein paar Kommilitonen wollten über das Diwali-Wochenende auf jeden Fall wegfahren, konnten sich aber nicht so richtig auf einen Ort einigen. Letztendlich hatten wir uns für einen Strand entschieden, der relativ in der Nähe ist (heißt: ca. fünf bis sechs Stunden Anreise), das Ganze fiel dann aber ins Wasser, weil dort irgendwelche Unruhen waren: Offenbar hat die (kommunistische...) Regierung für Industrieprojekte in der Gegend einige Bauern enteignet und wirklich unzulänglich entschädigt - so dass die Bauern auf die Straße gehen und ihren Unmut mitteilen. Unterstützt wohl von den Oppositionsparteien, die ebenfalls auf die Straße gehen. Ich stell mir das ein bisschen so vor wie man sich Deutschland in den 20er Jahren vorstellt. Offenbar haben diese Straßenkämpfe auch mit den Generalstreiks in Kalkutta zu tun (wo wirklich überhaupt gar nichts mehr geht, weil die Oppositionsparteien dafür sorgen, dass keiner irgendwas arbeitet), die mich später nochmal einholen sollten.

Als Alternative hat und die Kommilitonin Smriti aber zu sich nach Hause in die Stadt Vizag (nur 800 Kilometer südlich) eingeladen - mitgefahren sind dann letztendlich nur ein Kommilitone namens Subho (auch “Scooby” genannt) und ich. Alleine für die Möglichkeit, mal bei einer indischen Familie zu wohnen und überhaupt mal noch etwas mehr von Indien zu sehen wollte ich auf jeden Fall mit.

Die Busfahrt in einem klimatisierten Volvo-Reisebus gestaltete sich sehr angenehm, bis sie plötzlich mitten in der Nacht dadurch unterbrochen wurde, dass ein LKW auf einer Brücke stecken geblieben war. Da ging nichts mehr, und in Indien kommt halt nicht so schnell ein ADAC, das würde bis zum nächsten Tag nachmittags dauern. Also sind wir aus dem Bus raus, ein paar hundert Meter in den letzten Ort zurückgewandert und haben uns dort ein Taxi besorgt - für die letzten 200 Kilometer. Kostet hier ja nicht viel.

Die Fahrt war dann vor allem Tagsüber sehr interessant. Indische Autobahnen sind keine Autobahnen, die gehen direkt am Leben vorbei: Man fährt nicht schneller als 80-100, und selbst das ist viel, denn zwischendurch überqueren die ganzen Leute, die auf dem Land an der Autobahn leben, die Straße, am Straßenrand fahren Ochsenkarren, zwischendurch kommen einem Mopeds als Geisterfahrer entgegen (was gar nicht so schlimm ist, wie man sich das in Deutschland immer vorstellt, wenn man eine Warnung im Radio hört) usw. Und wie bei den ganzen Indien-Schilderungen habe ich wieder das Gefühl, dass ich dem Ganzen hier jetzt gar nicht gerecht werde.

Nunja, letztendlich sind wir dann doch in Vizag bei Smritis Familie angekommen. Sehr nette Leute, und das Haus war auch sehr schön - natürlich wesentlich sauberer als unser Uni-Hostel; ganz kritisch gesehen sind deutsche Häuser wohl immer noch sauberer, aber vergleichbar mit Südeuropa war’s beispielsweise auf jeden Fall. Smritis Mutter und Großvater waren sehr nett, den Vater habe ich nur kurz zwischendurch gesehen. Etwas gewöhnen musste ich mich an das Hauspersonal: Mehrere Putzfrauen, eine davon erst 16 (die erst seit kurzem da war; davor wahrscheinlich aus einer armen Familie kam und deswegen eher wie 13 aussah), die einem dann plötzlich das Gepäck abnehmen - und abends auf dem Boden essen. Nachher erfuhr ich aber, dass Smritis Mutter sie öfter auffordert, doch mit am Tisch zu essen, aber sie weigern sich da wohl. Subho hat wiederum hervorgehoben, dass es den Mädchen mit Putzjobs auf jeden Fall besser geht, als wenn sie zu Hause geblieben wären, denn die alternativen Einkommensmöglichkeiten (wie bspw. Prositution) seien auf jeden Fall schlechter. Und ich hatte schon den Eindruck, dass es ihnen ganz gut geht - beim Böllern abends haben sie dann auch fröhlich mitgemacht.

Vizag ist eine sehr schöne Stadt am Meer, die vor allem dadurch, dass viele Berge direkt bis ans Meer gehen, etwas ans Mittelmeer erinnert - wenn auch alles mit einem indischen Flair als Unterschied zu Südeuropa. Dazu gehören große Marktstraßen, wo man wirklich alles kaufen kann, und dass man entgegen der ersten Reaktion des Türstehers und den eigentlichen Regeln doch mit kurzen Capri-Hosen in eine Bar reinkommt - wenn man denn weiße Haut hat, wie der Barkeeper wohl auf indisch hervorgehoben hat. Weiß = Tourist = für indische Verhältnisse viel Geld. Eine sehr seltsame Erfahrung.

Nachdem wir die Stadt Vizag besichtigt hatten und zu Abend gegessen haben, wurde losgeböllert - mit Feuerwerkskörpern, die in Deutschland unter keinen Umständen erlaubt wären. Selbst in Kalkutta sind wohl einige dieser Exemplare verboten. China-Böller sind da ein absoluter Witz gegen. Aber es hat Spaß gemacht!

Am nächsten Tag sind wir dann in die Berge gefahren (mit einem Mietwagen samt Fahrer, für den ganzen Tag - kostet ja nicht viel), wo wir uns erst einmal eine ziemlich beeindruckende (weil sehr große!) Tropfsteinhöhle angesehen haben, bevor wir dann im Anschluss in den Bergen zu ein paar Wasserfällen gewandert sind. Bis zum Weg brachte uns ein Jeep mit einem Fahrer, der wohl so ungefähr 13 war - ich bezweifle, dass das auch auf diesem Feldweg erlaubt ist, aber der Junge ist wirklich gut gefahren. Die Straße war nur sehr holprig, so dass man sich als übergroßer Europäer (für indische Verhältnisse scheine ich sehr groß und breit zu sein, wie mir auch andauernd gesagt wird - “You look like a strong man, do you do bodybuilding?” - nein, jetzt bitte nicht wieder lachen!!!!) doch den Kopf gestoßen hat. Das Ganze ging durch das Gebiet eines Ureinwohner-Stammes, der dort wohl immer noch recht geschützt lebt. Der nicht allzu lange Fußmarsch wurde durch einen sehr frischen Wasserfall auf jeden Fall belohnt; die Bilder sollten dokumentieren, wie viel Spaß das gemacht hat!

Achja, auch dort merkt man wieder, wie sehr man als Weißer bzw. Europäer auffällt: Jeder dritte indische Tourist, der dort durch die Berge wandert, wollte sich vorstellen, meinen Namen und meine Herkunft wissen, und viele wollten auch ein Foto mit mir machen. Ich bin jetzt demnächst in einigen indischen Familienalben als der weiße Mann in den Bergen vor Vizag verewigt.

Sonntag sollte es dann zurückgehen, aber auch das hat sich letztendlich schwieriger gestaltet als erhofft. Wir fuhren mit dem Zug, was wirklich (zumindest in der höheren, klimatisierten Klasse, in der wir unterwegs waren - mir wurde gesagt, dass man eigentlich niedrigere Klassen nehmen sollte, weil’s spannender ist, mach ich dann beim nächsten Mal) sehr angenehm ist. Die Sitze kann man zu übereinander liegenden Betten umklappen, auf denen es sich sehr gut schlafen lässt. Zwischendurch kam mal eine Maus vorbei, was aber wohl auch in einem deutschen Zug (vielleicht jetzt nicht im ICE...) passieren könnte.

Nunja, so 100 km vor Kalkutta kam der Zug dann aber zum Stehen, denn im Staate West Bengal ging gar nichts mehr. Die “Parteisoldaten” der Oppositionsparteien hatten dafür gesorgt, dass niemand nach Kalkutta rein kann, niemand in Kalkutta selbst über die Straßen fährt, kein Geschäft auf hat, nichts. Wir mussten uns in dem Vorort also ein Hotel suchen, und selbst das hätte nach dem Willen der Opposition nicht auf sein dürfen - wobei das in kleineren Städten wohl nicht so interessiert hat. Jedenfalls wurde unsere Rückfahrt dann ebenso wie die Hinfahrt verzögert, dieses Mal sogar um einen ganzen Tag - was aber in Indien meinen Begleitern zufolge nicht die Norm ist. So habe ich aber auf jeden Fall noch ne andere Stadt gesehen, zum ersten Mal ein indisches Hotel (10 Euro die Nacht, schon ganz ordentlich, mit ganz viel amerikanischen Fernsehsendungen! ;)) und wir haben am Bahnhof noch ein Mädchen aus Salt Lake (unser Stadtteil) in Kalkutta kennen gelernt, die ebenfalls “gestrandet” war und sich uns angeschlossen hat. Demnächst sind wir dann bei ihr offenbar zum Mittagessen eingeladen.

Gestern war ich dann noch mit Paul und einer Studentin aus Mauritius (ich glaube, ihren Namen schreibt man Hrishi, oder so), die Paul vor einiger Zeit beim “Foreign Registration Office”kennen gelernt hat, in einem französischen Film (“La tourneuse de pages” - hat mir sehr gut gefallen, typisch französischer Film) im Kino - im Rahmen des Kolkata Film Festivals. Im Anschluss waren wir dann noch Kaffee trinken (echten Kaffee im Einkaufszentrum “City Centre”, nicht dieses braune Zuckerwasser, was es in Indien sonst oft als Kaffee gibt) und in der Mall auch was essen (Pizza!), wo ich dann noch gelernt habe, was für ein Kulturmix in Mauritius herrscht: Erst wohnte da gar keiner, dann kamen Franzosen, dann Engländer, es kamen Sklaven aus Afrika, Weiße aus Europa, und Inder (Hrishi ist selbst Hindu und sieh auch indisch aus), die dann alle miteinander französisch gesprochen haben (mal mit, mal ohne eigenen Dialekt), ab der Schule aber alles auf englisch war. Man spricht französisch mit Dialekt, schreibt englisch und liest französisch, wie Hrishi meinte. Was es nicht alles gibt. Achja, Hrishi ist seit drei Jahren in Kalkutta (und kann offenbar ziemlich gut Hindi - englisch und französisch natürlich perfekt) und studiert hier am Institute for Homeopathie. Nochmal: Was es nicht alles gibt...

Eigentlich gibt es wieder noch so viel mehr zu erzählen, aber ich werde es, wie gesagt, alles irgendwann noch einbauen, denn die Erlebnisse wiederholen sich auch in verschiedenen Variationen. Wie ihr seht, hat die Seite jetzt auch eine Kommentarfunktion; ich hoffe, das klappt. Und da ich jetzt einen WiFi-Hotspot gefunden habe, wird’s hoffentlich auch öfter Updates geben!

9:02 Uhr, 03.01.2008

Die ersten Tage [vom 4. November 2007]

Es gibt in Indien tatsächlich Red Bull. Den hab ich allerdings nicht gebraucht, denn letztendlich konnte ich im Flugzeug doch schlafen - wenn es auch stolze fünfeinhalb Stunden Verspätung hatte. Das war aber von daher gar nicht so schlimm, dass ich im Anschluss sowieso lange hätte warten müssen, weil ich nach indischer Zeit erst am frühen Nachmittag (ich sollte ursprünglich 7:40 Uhr ankommen) vom Flughafen weggekommen wäre, weil just an dem Tag eine Art Generalstreik stattfand, an dem sich Taxifahrer, Geschäfte und so ziemlich alles andere beteiligt haben. Organisiert ist das Ganze offenbar von den Oppositionsparteien; die Arbeiter streiken also, um gegen die kommunistische (!) Regierungspartei West-Bengalens zu demonstrieren. Sehr lustig. Also kam ich vom Flughafen nicht in einem Taxi, sondern in einem Auto von der Uni weg, mit dem der Fahrer irgendeinen Professor abholen sollte. Anders wär ich vielleicht mit einem der wenigen Taxis, die am Flughafen waren, weggekommen, aber bestimmt zu einem überhöhten Preis und wer weiß, ob der Fahrer sicher gewusst hätte, wo ich hin musste. So Kommunikation ist gar nicht so einfach, weil die Fahrer oft auch nicht wirklich englisch können; so zumindest bisher meine Erfahrung. So konnte mich mein deutscher Kommilitone Paul also abholen, dank des verspäteten Fluges musste ich am Flughafen dann gar nicht mehr warten - nur auf den Professor, der mit einem anderen Flug kam, der dann aber letztendlich doch gecancelt war. Fuhren wir also ohne den zur Uni, nach einer Wartezeit, in der ich versucht hatte, meine Euros zu wechseln, auf dem Weg dahin von dem ersten Straßenkind angebettelt wurde und letztendlich nicht mehr in den Flughafen reinkam, weil vor dem Eingang (wie fast überall) Wachmänner standen, die nicht jeden reinlassen. Achja, und ich hab am Flughafen auch gleich die erste heilige Kuh gesehen (wenn hier auch nicht sooo viele Kühe rumlaufen, wie’s wohl teilweise woanders ist).

Seit dem letzten Blog-Eintrag sind jetzt gerade mal vier Tage vergangen - ich hab zwar noch nicht so viele große Dinge erlebt (war ja bisher nur an der Uni und in der unmittelbaren Umgebung), aber es sind doch so viele interessante Kleinigkeiten, dass es mir schwer fällt, das alles unterzukriegen. Vielleicht sollte ich doch jeden Tag was schreiben, auch wenn ich’s dann nicht unbedingt reinsetze.

Also, der Kulturschock hält sich wirklich sehr in Grenzen. Zumindest, wenn man Kulturschock so definiert, wie ich das machen würde: Dass eine andere Kultur so anders von dem Gewohnten ist, dass man einen Schreck bzw. Schock bekommt, und zwar im negativen Sinne, so dass man als erste natürliche Reaktion wieder weg wollte. So etwas habe ich überhaupt nicht. Natürlich ist hier alles total anders: Ich hab jetzt noch nicht die Slums, also das Schlimmste, gesehen, aber was man hier schon auf normalen Straßen sieht, muss man wirklich selbst erlebt haben. In Deutschland sind die Ärmsten der Armen Hartz-IV-Empfänger mit Sozialwohnungen, in Indien geht man an der Straße entlang, sieht Leute, die sich vielleicht noch ein Blech- oder Holzdach gebastelt haben und dann komplett auf der Straße leben - die ganze Familie, da wird zu Abend gegessen, geschlafen, irgendwo am Straßenrand wohl auch die Notdurft verrichtet und nebenan ist dann mal ne Müllkippe, wo eine große Schweinefamilie lebt. Wenn man sich dann zu siebt in eine Rickschah gequetscht hat, um den rund drei Kilometer langen Weg zum Einkaufszentrum für 10 Rupien (umgerechnet 20 Cent) zurückgelegt zu haben, findet man eine sehr europäisch anmutende Mall mit Apple Store, adidas-, Levi’s- und sonstwas-Läden, eine Deutsche Bank usw. Auf dem Rückweg mag man dann vielleicht die falsche Rickschah nehmen, um am Hyatt-Hotel vorbeizukommen. Das Hotel spottet zumindest äußerlich in seinem Luxus jeder Beschreibung. Vor den hohen Mauern des riesigen Hotelareals (normalerweise sind Grundstücke hier gerade nur so groß wie das Haus, das auf ihnen steht) leben dann wieder die Familien auf der Straße.

Man sollte meinen, dass man es kaum aushält, so etwas zu sehen, aber ich fühle mich irgendwie bei dem Ganzen immer wie in einem Dokumentationsfilm. Ich geh durch die Straßen an den Leuten vorbei oder sehe sie aus dem Taxi, aber irgendwie wirkt das Ganze doch so fern. Ein paar Mal, wenn wir in einem Restaurant, Pub o.ä. waren oder ich einfach nur in der Uni sitze (ja, das Zimmer hat, wenn man es nicht einräumt, wirklich was von einer Gefängniszelle (Holzpritsche ohne Lattenrost usw.) und es ist alles sehr staubig und die Badezimmer natürlich nicht sonderlich sauber, im Gegenteil, aber auch damit komm ich ganz gut zurecht), muss ich immer darüber nachdenken, wo ich hier eigentlich bin und wie das drumherum überall aussieht und wie fern das Ganze doch wirkt. Das scheint aber irgendwie die natürliche Reaktion zu sein, mit der alle hier damit umzugehen scheinen, bei manchen hat sich das wohl erst nach dem Kulturschock eingestellt. Das sähe vielleicht alles auch anders aus, wenn man diese Leute mal kennen lernen würde.

Zur Uni könnte man auch viel erzählen - die Vorlesungen haben was von Schulunterricht (mit teilweise entsprechend strengen, teilweise entsprechend hilflosen Lehrern, deren Unterschied dann auch wie in der Schule boykottiert wird), sind aber größtenteils schon sehr interessant. Allerdings habe ich bei manchen Lehrern und vor allem Kommilitonen wirklich Probleme, ihren indischen Dialekt zu verstehen. Es ist nicht nur so, dass sie alle (nur?) den Akzent ihrer jeweiligen Muttersprache (das ist auch alles sehr undurchsichtig - irgendwie können doch alle noch zusätzlich Hindi, sprechen mit ihren Familien offenbar teilweise eine Art Kauderwelsch usw.) hätten, vielmehr scheint indisches englisch einfach eine ganz eigene Aussprache zu haben. Und die ist, je nach Ausprägung, sauschwer zu verstehen. Also starkes Schottisch find ich, glaube ich, einfacher. Zwischenzeitlich hab ich schon an meinen Englischfähigkeiten gezweifelt, als mein Nachbar hier letztens aber mal mit mir und nem anderen Nachbarn ne DVD von einem amerikanischen Film (“Ewan Almighty”, gar nicht mal so schlecht) gesehen hat und ich wirklich jedes einzelne Wort perfekt verstanden habe, war mir klar, dass es doch an dem Indischen liegen muss. Aber da wird man sich schon noch dran gewöhnen (und bei manchen Kommilitonen ist es auch gar kein Problem). Bei der Uni muss ich aber noch gucken, wie ich das mit etwaigen Prüfungen mache; mindestens eine Umfassendere muss ich offenbar absolvieren, damit das Auslandssemester nicht später die Möglichkeit eines Examens-Freischusses verbaut. Auch könnte ich einen Großen Schein (Öff-Recht) machen, dafür müsste ich aber noch zwei weitere Prüfungen absolvieren, und die regulären Prüfungen sind hier Mitte März, während die Vorlesungen schon Anfang März vorbei sind - ich hätte also mindestens zwei weitere Wochen zum Rumreisen, die nach dem, was ich gehört habe, sehr wertvoll sind.

Sonst gibt es, wie gesagt, so viele Kleinigkeiten: Dass man hier zwar alles irgendwo bekommen kann, es aber schwierig ist, herauszufinden, wo (dann gibt’s im Supermarkt einfach mal kein Tesafilm, stattdessen besorgt man sich den an irgendeinem Stand am Straßenrand), dass ich einmal schon ne Eidechse in meinem Zimmer hatte und sie nach einem kleinen Kampf mit meinem Bett wirklich einfangen und entfernen konnte, dass das Essen hier wirklich ordentlich ist, aber irgendwie dreimal am Tag das Gleiche (Gemüse, Reis und/oder Brot, scharfe Sauce), dass man einen schriftlichen, ausformulierten Antrag stellen muss, um morgens und abends Milch bekommen zu dürfen (indische Bürokratie ist lustig), dass es sehr lustig ist, wie man hier als Europäer auffällt (ich war ja noch nie irgendwo, wo allen sofort und unweigerlich klar sein musste, dass ich nicht dahin gehöre) und vieles, vieles mehr. Vielleicht fällt mir beim nächsten Mal noch was Lustiges ein, mehr erleben werd ich mit sicherlich is dahin. Achja, Wetter ist jetzt besser geworden, die ersten paar Tage war wohl die Monsunsaison etwas verspätet noch nicht ganz vorbei und dank etwas Regen (Gott sei Dank nicht so viel, dass etwas unter Wasser stand) war’s sehr schwül. Die letzten zwei, drei Tage war aber gar kein Regen mehr.

Also, das Fazit bisher: Kulturschock hätte sich vielleicht eingestellt, wenn ich jetzt wüsste, dass ich hier jahrelang bleiben müsste, bei einem halben Jahr stören mich aber auch die Unannehmlichkeiten überhaupt nicht und mir geht’s dementsprechend sehr gut. Bin auch noch nicht krank geworden, auch wenn ich nicht alle “Sicherheitsvorkehrungen” 100%-ig eingehalten habe (beim ersten Mal, als wir essen waren, haben die Kommilitonen mir was empfohlen, von dem ich dachte, es sei vegetarisch, war es aber nicht, allerdings war das auch ein Besseres Restaurant; Paul meinte, dass man das Leitungswasser zum Zähneputzen doch benutzen könne, wenn man es nicht schluckt, und nachdem ich mir mit meiner Trinkwasserflasche neben den Kommilitonen etwas blöd vorkam (nach dem Motto, “ich bin mir zu gut für euer Wasser”), hab ich’s auch mal ausprobiert und es hat nicht geschadet - trinken tu ich das aber natürlich nicht). Mit Fleisch und allgemein Essen bleib ich aber vorsichtig. Und ich kann mir partout keine indischen Namen merken. So, das soll’s dann für heute gewesen sein!

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